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Herzenstimmen

Herzenstimmen

Titel: Herzenstimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Sendker
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Er stemmte ihn hoch und erklärte, dass sie diese Last unmöglich alleine schleppen konnte. Die Art, wie er es sagte, verriet ihr, dass er eher zwei- oder dreimal gehen würde, als sie den Korb tragen zu lassen. Er würde sie ernähren können. In jeder Beziehung.
    Sie nahmen den Korb in ihre Mitte, jeder an einem Griff, er legte sich behutsam ihre Schwester über die Schulter, was Khin Khin klaglos geschehen ließ. So machten sie sich auf den Weg.
    Beim Abschied bat er, sie am nächsten Tag wiedersehen zu dürfen.
    Am Abend lag Nu Nu lange wach. Der Stein vom Vortag fiel ihr wieder ein. Nun wusste sie, welche Form er besaß.

4
    N u Nu lag neben ihrem schlafenden Mann und lauschtedem Regen. Sie erkannte an den Tönen, worauf das Was ser prasselte. Die dicken Blätter der Bananenstauden klangen tief und kräftig. Die kleinen, dünnen des Bambus hell und leicht. Die Pfützen im Hof glucksten. Ihr altes Dach verschluckte die Tropfen mit einem dumpfen Geräusch, um sie in einem gurgelnden Rinnsal an den Dachtraufen wieder auszuspucken. Die Matten aus trockenen Gräsern und Palmenblättern, die ihr Haus bedeckten, leckten an mehreren Stellen, Nu Nu hörte das hässliche Plätschern auf den Holzplanken. Es fehlte das Geld, sie zu erneuern, ein Jahr würden sie noch halten müssen. Mindestens.
    Von einem der Nachbarhäuser schallten die Töne eines Blechdachs herüber, laut und wütend. Darunter, dachte Nu Nu, würde sie nie schlafen können, egal wie haltbar und praktisch sie waren.
    Gestern Mittag hatte es zu regnen begonnen und seitdem nicht mehr aufgehört. Das war ungewöhnlich. Normalerweise stürzte in dieser Jahreszeit das Wasser in Wolkenbrüchen vom Himmel, die eine, manchmal zwei Stunden anhielten und die Luft feucht und schwer machten. Der Boden saugte das Nass auf, und was übrig blieb, verschlang die Sonne mit ihren unerbittlichen Strahlen. Nach kurzer Zeit war die Erde wieder trocken und wartete ungeduldig auf den nächsten Schauer.
    Draußen wurde es allmählich hell, die ersten Lichtstrahlen fielen durch die Spalten in der Wand. Nu Nu rutschte noch einmal an ihren Mann heran und schlang einen Arm um seine Brust. Einige Minuten genoss sie die Wärme seines Körpers, den gleichmäßigen Rhythmus seines Herzschlages unter ihrer Hand, seinen Atem auf ihrer Haut. Dann stand sie auf, entfachte das glimmende Feuer, hängte einen Kessel über die Flammen, setzte sich in die offene Tür und beobachtete, wie das Wasser ihren Hof in eine immer größere Schlammlache verwandelte.
    Sie liebte die Regenzeit. Sie liebte diese Monate und ihr silbergraues Gewand, in denen die Erde erwachte, das Leben an den geheimnisvollsten Orten wucherte und die Natur alles mit einem hemmungslosen Grün überzog. Außerdem war es eine Zeit, in der sie nicht schon vor Sonnenaufgang aufstehen mussten, um ja rechtzeitig auf dem Feld zu sein. In der sie und Maung Sein einige Stunden für sich hatten, weil es nichts zu tun gab, außer dem Klang des Regens zu lauschen. Oder einen Korb zu flechten.
    Oder dem eigenen Begehren zu folgen.
    Sie spürte Lust in sich aufsteigen und überlegte kurz, ob sie sich wieder zu ihrem Mann legen und ihn, sobald er erwachte, verführen sollte, entschied sich aber dagegen. So wie es aussah, sollten sie dafür noch den ganzen Tag Zeit haben, und in spätestens einer Stunde würden die Novizen vor ihrer Hütte stehen und die täglichen Gaben erwarten. Sie erhob sich, ging zur Feuerstelle, setzte Reis auf, suchte ein paar besonders große Tomaten, Karotten, Auberginen, Zwiebeln, Ingwer und Knoblauch heraus und bereitete ein Gemüsecurry zu. Für die Mönche gab es nur das Beste, auch wenn das Essen in ihrem Haus in manchen Monaten knapp war und Maung Sein über ihre Großzügigkeit zuweilen murrte.
    Nu Nu empfand ein tiefes Gefühl von Dankbarkeit und Demut, wenn sie an die vergangenen zwei Jahre dachte, und wollte sich, mit den bescheidenen Mitteln, die ihr zur Verfügung standen, so erkenntlich wie nur möglich zeigen. Sie fragte sich, womit sie so viel Freude verdient hatte. Was mochte sie in ihrer vorherigen Existenz Gutes getan haben, um in diesem Leben so reich belohnt zu werden?
    Dank eines Darlehens von Maung Seins Onkel hatten sie sich zur Hochzeit diese alte Hütte, das dazugehörige Grundstück und einen Acker kaufen können. Sie lag in einem Dorf, zwei Tagesmärsche von ihrem Geburtsort entfernt. Das Haus bot genügend Platz, es gab einen Raum mit einer Kochstelle in der Ecke. In einem Holzregal hinter

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