Herzgrab: Thriller (German Edition)
Möglicherweise hatte ihr Entführer damit herausgefunden, ob sie noch atmete. In dem verschmutzten Glas sah sie, dass sich unmittelbar hinter ihr eine massive Eisentür mit Belüftungsschlitzen befand. Jenseits der schmalen Öffnungen lag Dunkelheit.
Aufsetzen!
Sie wollte sich hochstemmen und bemerkte erst jetzt, dass sie etwas an den Handgelenken einschnürte. Sie drehte die Hand und tastete mit den Fingerkuppen zu ihrem Gelenk. Lederriemen!
Mit aller Gewalt versuchte sie, den Kopf zu bewegen. Doch auf ihrer Stirn befand sich ebenfalls ein Lederband, das ihren Kopf wie ein Schraubstock an die Metallpritsche presste. Das Gleiche an den Fußgelenken.
Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Panik kroch in ihr hoch. Wieder stieg ein galliger Geschmack in der Speiseröhre nach oben. Die Nachwirkungen des Chloroforms würden noch länger andauern. Bestimmt war sie betäubt worden, und ihr Entführer hatte garantiert mehrmals nachdosieren müssen.
» Hilfe … Aiuto ! «
Da hörte sie Schritte. Sie hielt den Atem an. Es klang, als käme jemand über eine lange Betontreppe in den Keller. Es waren schwere Schritte – bestimmt die eines Mannes. Sie stoppten in ihrer Nähe.
Kurz darauf hörte Teresa, wie direkt hinter ihr ein Schlüssel ins Schloss geführt wurde. Es klickte zweimal. Eine Sicherheitstür! Sie hörte, wie mehrere Metallbolzen oben und unten in die Tür fuhren. Warum dieser Aufwand? Ihretwegen? Wollte man sie misshandeln oder töten? Ging es um Lösegeld … oder um etwas völlig anderes? Informationen über die Familie? Sie wusste doch nichts! Weil Monica und sie einen Privatdetektiv engagiert hatten, der Salvatore finden sollte? Aber das lag Monate zurück, und er hatte nichts erfahren!
Ein Riegel wurde zur Seite geschoben. Mit einem Quietschen öffnete sich die Tür.
Instinktiv verkrampfte Teresa sich.
Jemand betrat den Raum. Sie hörte den tiefen, schweren Atem, der vermutlich von einem Mann stammte. Er stand unmittelbar hinter ihr, aber im Spiegel war nichts weiter als ein dunkler Schatten zu erkennen.
» Was wollen Sie von mir? « , krächzte sie.
Er stand reglos da. Obwohl sie die Augen verdrehte, konnte sie keinen Blick auf ihn erhaschen.
» Was geschieht mit mir? « Sie wiederholte die Frage auf Italienisch und Englisch.
Nach einer Weile strich ihr der Mann über die Wange, beugte sich zu ihr herunter und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Zu kurz, als dass sie einen Blick auf sein Gesicht hätte erhaschen können. Aber sie roch sein teures Aftershave. Dann verschwand er wieder, sperrte die Tür ab und legte den Riegel vor.
Teresa zerrte an den Fesseln.
» Warum tun Sie das? « , brüllte sie.
Die nächsten Stunden verstrichen zäh. Nichts passierte. Kein Geräusch war zu hören. Immer wieder brüllte sie die Frage ins Licht, was mit ihr geschehe, doch sie erhielt keine Antwort.
In Gedanken malte sie sich die schrecklichsten Dinge aus, die der Kerl mit der Aftershave-Wolke mit ihr anstellen würde. Als OP -Schwester hatte sie oft die Folgen von so manchen kranken Sachen gesehen. Die Metallpritsche, die Lederriemen, der fensterlose Kellerraum, der Werkzeugschrank, das Skalpell und die Glühbirne im rostigen Lampenschirm beflügelten ihre Fantasie.
Die Stunden vergingen, und von Minute zu Minute schnürte die Panik ihre Kehle enger zu.
» Was geschieht mit mir? «
Keine Antwort. Mittlerweile glaubte sie, dass der Mann, der ihr einen Kuss auf den Kopf gepresst hatte, nur Einbildung gewesen war, ebenso der Geruch nach Rasierwasser. Doch dann waren erneut Schritte auf der Treppe zu hören. Das Geräusch drang durch die Belüftungsschlitze in die Kammer. Diesmal zählte sie mit. Zweiunddreißig Stufen. Das bedeutete, sie befand sich etwa zwei Etagen tiefer als ihr Entführer.
Das Schloss klickte, die Bolzen fuhren aus der Wand, und der Riegel wurde zur Seite geschoben.
Die Tür quietschte.
Sie roch ihn wieder. Er kam näher. Diesmal berührte seine Wange ihr Ohr. Dann erklang eine kehlige Stimme mit einem derben nordostdeutschen Akzent.
» Das Gleiche wie mit deinen Brüdern. «
Bevor der Mann die Tür wieder verschloss, schaltete er das Licht aus.
II – Dienstag, 25. Mai
» Frauen darf man nur die Hälfte glauben,
aber welche Hälfte? «
Jean Giraudoux
10
Um sechs Uhr morgens glitzerte der Tau auf der Wiese des Spielplatzes. Peter Gerink parkte den Pajero vor der modernen Wohnhausanlage in Wien Floridsdorf. Die Sonne lugte als ora ng efarbener Ball über den Horizont und
Weitere Kostenlose Bücher