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Herzhämmern

Titel: Herzhämmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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und meiner Mutter. Dass Martin Student war und Gitta Sportartikel verkaufte, als sie sich kennenlernten. Dass sie sich beim Freeclimbing kennenlernten. Damit hab ich angefangen: mit Freeclimbing. Weil das die Leute am meisten beeindruckt. Frei in der Felswand, ohne jede Sicherung. Winzige Vorsprünge nützend. Mit übernatürlichem Selbstvertrauen und totaler Unerschrockenheit. Martin und Gitta, meine Eltern.
    Shelley hat es schon gewusst, von Bonni.
    Zuerst war ich erstaunt, dann ist es mir wieder eingefallen: Als ich noch auf der Erde lebte, gestern Abend muss es wohl gewesen sein, habe ich vor Bonni damit angegeben; ich wollte akzeptiert werden als eine, die schon von ihrer Familiengeschichte her Mut und Sportsgeist gepachtet hat. Meine Rechnung ist aufgegangen.
    Shelley hat mir von seinen Eltern erzählt, die träge sind und die ihm mit ihren ewigen Nörgeleien auf den Wecker gehen: Das sollst du nicht, das darfst du nicht, das ist zu gefährlich, das bringt nichts, das kostet nur unnötig Geld und so weiter. Deshalb habe er sich eine eigene Bude genommen, gleich nach seinem achtzehnten Geburtstag. Und mit dem Auto, das ein Freund ihm instand hält, sei er nun vollends unabhängig. Nur dass er jeden Cent umdrehen müsse, wirklich jeden, das nerve ihn manchmal. Aber das sei es wert. Zum Glück habe er noch eine Oma, die’s gut mit ihm meine.
    Dass Shelley so viel reden kann, wusste ich nicht. Ich habe dann, kühn geworden, mir ein Herz gefasst und die Frage gestellt, die mir schon lange auf der Zunge brannte: »Hast du eine Freundin?«
    Ich sagte es nach hinten und musste die Augen gleich wieder vorn haben, um nicht über Geröllbrocken zu stürzen. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen und er konnte meines nicht sehen. Auf die Antwort ließ er mich warten. Schließlich kam sie, ein wenig undeutlich.
    »Kann ich mir nicht leisten.«
    »Was? Wieso?«, sagte ich.
    Wieder dauerte es. Dann sagte er ziemlich unwirsch: »Mädchen wollen immer ausgehen. Man muss ihnen etwas bieten.«
    Darüber dachte ich nach. Auf manche traf das zu, da hatte er recht. Aber nicht auf alle. »Man teilt sich die Kosten, wenn man ausgeht«, sagte ich nüchtern. Wenn ich ausgehe, bezahle ich für mich selbst, das steht fest. Mal abgesehen davon, dass ich bisher keinen Spender gefunden habe. Zweimal war ich mit Mädchen in der Disco und einmal mit einem Typ aus der Neunten, von dem ich dachte, er wäre nett, aber er fing gleich zu fummeln an, sodass ich schon deshalb bezahlte, um ihm nichts schuldig zu sein.
    »Es ist auch so«, sagte Shelley zögernd, »dass ich da nicht hinwill, wo die hinwollen. Ich weiß nicht, vielleicht bin ich ja nicht normal.« Bevor ich protestieren konnte, fügte er hinzu: »Und wo ich hinwill, da wollen die eben nicht hin. In Höhlen zum Beispiel.«
    Ich drehte mich nicht um. Es wurde ihm von selbst bewusst, was er da gesagt hatte. »Eh - es gibt natürlich Ausnahmen«, nuschelte er.
    »Danke«, sagte ich. Gut, dass er mein flammendes Gesicht nicht sehen konnte. Ich und höhlenbegeistert …
    Wir haben danach nicht mehr über das Thema gesprochen. Es ist hier sowieso ziemlich schwierig, Small Talk zu machen. Weil die Stimme grässlich hallt. Weil Ecke und Bonni sich ständig streiten. Weil man furchtbar aufpassen muss, wenn man mit einer Lampe zwei Leute bedient.Weil das hier kein Gang ist, sondern eine mit Hindernissen gefüllte Katastrophe. Geröll, Wasserlöcher, Engpässe, Felsnasen, gegen die der Helm donnert.
    Wie Ecke das macht, ist mir schleierhaft. Er rennt sich nie den Kopf an. Er ist eine Ratte.
    Ob es hier vielleicht auch echte Ratten gibt? Bis jetzt sind wir zum Glück auf kein Lebewesen gestoßen, nicht mal auf das allerkleinste. Ratten huschen doch auf jeden Fall davon, wenn jemand kommt? Die Biologin in mir lacht: Was sollte eine Ratte hier suchen - hier findet sie keine Nahrung. Hier gibt’s nur totes Gestein und Lehmbrühe. Mag sein, im Frühjahr, als die Höhle überflutet war, dass da allerhand eingeschwemmt wurde …
    Das will ich mir lieber nicht ausmalen, und ich hoffe, es bleibt mir erspart, einer Ratte zu begegnen. Wir haben Oktober, den letzten Sonntag im Oktober, es hat lange nicht geregnet, seit dem Frühling ist ein halbes Jahr vergangen, falls hier tatsächlich Ratten waren, so sind sie längst verschwunden. Oder doch nicht?
    Ich bin jetzt für jede Ablenkung dankbar. Sogar dafür, dass Bonni abrupt stehen bleibt und mit ihm Ecke.
    »Was ist?«, will Shelley wissen.
    »Hier geht’s

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