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Herzhämmern

Titel: Herzhämmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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nicht weiter«, sagt Bonni leicht panisch.
    »Quatsch«, widerspricht Ecke, »es geht immer weiter.«
    Darauf hat Bonni nur gewartet, die kleinste Bemerkung seines Bruders bringt ihn jetzt bereits zum Explodieren. »Ja, du Höhlengenie? Und wo?«, kreischt er.
    Er ist anders als der Bonni, den ich kennengelernt habe; der war ein cooler Höhlenexperte, ein lässiger Kumpel von wesentlich älteren Jungs.
    Welcher von den beiden ist eigentlich echt?
    Ich schaue ihn an und mir dämmert etwas: Der echte Bonni steht vor mir und hat Schiss bis zum Gehtnichtmehr. Ich sehe, wie der Strahl seiner Lampe über die Decke und über die Wände zittert, auf der verzweifelten Suche nach einem Ausweg. Ich höre ihn stöhnen. Und jetzt schreit er wie am Spieß, weil Ecke ihm die Lampe gewaltsam entreißt.
    »Du kriegst sie wieder, sobald ich den Schlupf habe.« Eckes Stimme ist zum Fürchten.
    Ich bin nahe daran, mich an Shelley zu lehnen. Mir ist plötzlich so schwindlig, dass ich nicht weiß, ob ich nicht gleich umfallen werde. Vorsichtig lasse ich mich auf den Boden sinken.
    »Kannst du nicht mehr?«, flüstert Shelley erschrocken.
    Das ist die Frage. Jetzt wo er es ausgesprochen hat, weiß ich es: Ich kann nicht mehr. Ich lasse den Kopf hängen und gebe keine Antwort.
    Shelley kniet sich zu mir nieder. »Martina?« Er packt meine Schultern und schüttelt mich. »Martina, was ist los?«
    »Mir ist total schwindlig«, bringe ich heraus.
    Gleichzeitig höre ich, dass Ecke sagt: »Hier geht’s weiter.«
    Shelley hebt meinen Kopf. »Martina, du hast ja nichts als einen Riegel Schokolade im Bauch, kein Wunder! Da bricht ja ein Pferd zusammen!«
    Ein Pferd, denkt die Biologin in mir, hätte das nicht gemacht, was ich gemacht habe. Jedenfalls nicht freiwillig. Außerdem muss ein Pferd den ganzen Tag fressen, ich glaube, ich bin stärker als ein Pferd. Aber da ist noch eine Stimme in mir, und die sagt: Ich lasse mich jetzt in seinen Arm fallen …
    Ich lächle verzerrt. »Das muss es sein, ich habe nichts im Bauch.«
    Shelley macht mir den lehmverklebten Reißverschluss der Brusttasche auf. Ich werde schier ohnmächtig davon, elektrische Ströme fahren mir durch den Leib. Ich wünsche mir einen anderen Ort und Licht und Luft und - Shelley soll da sein …
    Stattdessen esse ich gehorsam mit Lehm vermischte Schokolade. Und trage Monsterklamotten. Und habe den Liebreiz eines Wikingers.
    Ecke hat etwas von Schokolade gehört. »Hey, ja, wo bleibt die Ration?«
    Ich halte ihm die restliche Tafel hin, die zerbrochen im Papier auf meiner Handfläche liegt.
    Aber Shelley wirft sich schützend darüber. Ich höre ihn mit Ecke flüstern: »Sie muss uns durchhalten, klar?«
    Ecke mault.
    »Sie hat das Frühstück ausgekotzt, klar?«
    Ich komme auf die Beine. »Ihr könnt den Rest haben. Es geht wieder.« Ich bin ja so tapfer, ich bin die größte Heuchlerin, die je in der Erde steckte.
    »Shelley soll auch etwas kriegen«, verlange ich, ehe Bonni und Ecke alles niedergemacht haben.
    Shelley schüttelt den Kopf. Er grinst mich an. In diesem Moment weiß ich etwas - ich liebe ihn.
    Liebe ist das, was mein Vater und meine Mutter hatten. Etwas Großes, Überwältigendes, Einmaliges. Immer wenn ich bisher das Wort Liebe dachte, fielen mir nur Gitta und Martin ein. Und ein paar Glückliche in Büchern. Nie fielen mir dazu Leute meines Alters und meiner Umgebung ein. Für mich selbst habe ich allerdings davon geträumt …
    Doch soll ich nun vielleicht meine erste Liebe gleich mit dem Leben bezahlen? Wo wäre da der Sinn? Wenn es überhaupt einen Sinn gibt, dann bin ich jedenfalls nicht durch Zufall hier, dann hat es etwas zu bedeuten.
    Das alles schießt mir durch den Kopf, während Shelley mit einem Rundblick die Höhle mustert.
    »Martina, kann ich mal?«, sagt er und greift nach meiner Lampe.
    Ich überlasse sie ihm.
    Er leuchtet jeden Winkel aus. Das Ergebnis ist niederschmetternd: Es gibt nur den Gang, aus dem wir gekommen sind, oder einen schmalen, hohen Wassertunnel gegenüber.
    Wir starren zu dem Loch am Ende des Tunnels hinauf, das uns schwarz und feindselig anglotzt, ein Schlitz wie ein bösartig zugekniffenes Auge. Die Wände des Tunnels sind glatt, der Boden ist eine nicht begehbare Senke. Der Stein, den Shelley ins Wasser wirft, wird mit einem unheimlichen Glucksen geschluckt.
    Also, da hinein kann niemand.
    Ecke sagt: »Was habt ihr denn mit dem Wasserloch, das interessiert doch gar nicht. Gib mir die Lampe, Bonni.«
    »Nein«, sagt

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