Herzklopfen auf Französisch - Perkins, S: Herzklopfen auf Französisch
wegen etwas fertigmachst, das du sowieso nicht ändern kannst. Sie würde nicht wollen, dass du alles schleifen lässt. Und sie will sicher so viele positive Dinge wie möglich hören, wenn du nächsten Monat nach Hause fliegst …«
» FALLS ich nach Hause fliege …«
» WENN du nach Hause fliegst, wird sie dich glücklich sehen wollen.«
»Glücklich?« Jetzt ist er wütend. »Wie kann ich denn …«
»Okay, vielleicht nicht glücklich«, korrigiere ich mich schnell. »Aber sie wird dich auch nicht so wie du jetzt drauf bist sehen wollen. Sie wird nicht hören wollen, dass du nicht mehr zum Unterricht gehst und dich nicht mehr reinhängst. Sie will sehen, dass du deinen Abschluss machst, schon vergessen? Du bist so nah dran, St. Clair. Versau es nicht.«
Schweigen.
»Na schön.« Es ist nicht fair, nicht vernünftig von mir, dass ich ihm so böse bin, aber ich kann nichts dafür. »Lass dich hängen. Schwänz weiter die Schule. Genieß deinen armseligen Tag im Bett.« Ich gehe in Richtung Tür. »Vielleicht bist du nicht der, für den ich dich gehalten habe.«
»Und wer soll das sein?«, kommt die bissige Antwort.
»Ein Typ, der auch aufsteht, wenn alles Scheiße ist. Ein Typ, der seine Mutter anruft und ihr frohes Thanksgiving wünscht, anstatt sich davor zu drücken, weil er Angst davor hat, was sie zu ihm sagen könnte. Ein Typ, der seinen Arschlochvater nicht gewinnen lässt. Aber wahrscheinlich habe ich mich da geirrt. Das hier«, ich schwenke den Arm durch sein Zimmer, obwohl er mir den Rücken zugekehrt hat, er liegt ganz still da, »ist für dich anscheinend okay. Dann viel Glück damit. Einen schönen Feiertag. Ich gehe aus.«
Die Tür fällt ins Schloss, als ich ihn höre. »Warte …«
St. Clair öffnet sie einen Spaltbreit. Seine Augen wirken trüb, seine Arme schlaff. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, sagt er schließlich.
»Dann sag einfach gar nichts. Geh duschen, zieh dir etwas Warmes an und komm runter zu mir. Ich bin in meinem Zimmer.«
Zwanzig Minuten später öffne ich ihm die Tür und stelle erleichtert fest, dass er nasse Haare hat. Er hat geduscht.
»Komm her.« Ich setze ihn vor das Bett auf den Fußboden und schnappe mir ein Handtuch. Dann rubble ich ihm die dunklen Haare trocken. »Du erkältest dich noch.«
»Das ist ein Mythos, weißt du.« Aber er hält mich nicht davon ab. Nach ein oder zwei Minuten seufzt er leise, wie befreit. Ich arbeite langsam, systematisch. »Wo wollen wir denn hin?«, fragt er, als ich fertig bin. Seine Haare sind immer noch feucht und beginnen sich zu kringeln.
»Du hast tolle Haare«, sage ich und muss mich zusammenreißen, um nicht mit den Fingern hindurchzufahren.
Er schnaubt verächtlich.
»Im Ernst. Wahrscheinlich sagt dir das ständig jemand, aber es sind wirklich schöne Haare.«
Ich kann sein Gesicht nicht sehen, aber seine Stimme wird leiser. »Danke.«
»Keine Ursache«, sage ich höflich. »Und ich weiß nicht genau, wo wir hinwollen. Ich dachte, wir gehen einfach los und … wenn wir da sind, wissen wir es.«
»Was?«, wundert er sich. »Kein Plan? Kein minutengenauer Programmablauf?«
Ich haue ihm mit dem Handtuch auf den Hinterkopf. »Vorsichtig. Sonst erstelle ich einen.«
»Lieber Himmel, bloß das nicht.« Ich gehe davon aus, dass er das ernst meint, bis er sich mit einem leichten Grinsen umdreht. Ich haue ihn noch mal, aber in Wahrheit bin ich über dieses schwache Grinsen so erleichtert, dass ich heulen könnte. Das habe ich seit Wochen nicht mehr gesehen.
Konzentrier dich, Anna. »Schuhe. Ich brauche Schuhe.« Ich schlüpfe in meine Turnschuhe und greife nach Wintermantel, Mütze und Handschuhen. »Wo ist deine Mütze?«
Er späht mich mit zusammengekniffenen Augen an. »Mer? Bist du das? Muss ich meinen Schal anziehen? Ist es draußen kalt, Mami?«
»Na schön, dann erfrier halt. Wirst schon sehen, was du davon hast.« Aber dann zieht er seine Strickmütze doch aus der Manteltasche und zieht sie sich übers Haar. Diesmal grinst er breit und überwältigend, und es erwischt mich unvorbereitet. Mein Herz bleibt stehen.
Ich glotze ihn an, bis sein Lächeln erlischt und er mich fragend ansieht.
Diesmal ist es meine Stimme, die leise geworden ist. »Gehen wir.«
Kapitel neunzehn
D a ist es! Das ist mein Plan.«
St. Clair folgt meinem starren Blick bis zur gewaltigen Kuppel. Der violettgraue Himmel – der Paris jeden Tag bedeckt, seit die Temperaturen gefallen sind – hat sie gedämpft und ihr den goldenen
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