Herzklopfen - Down Under (German Edition)
Sandy sich auch noch um und sah genau in ihre Richtung. Ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Sie flüsterte einer Rothaarigen etwas ins Ohr, die daraufhin den Hals reckte, um Nele zu begutachten. Nele versuchte, ein gleichgültiges Gesicht aufzusetzen, obwohl sie den beiden am liebsten ein selbstbewusstes Lächeln zugeworfen hätte.
»Dort drüben sind zwei Plätze.« Emma stupste sie mit dem Ellenbogen an.
Nele riss sich von Sandy und ihrer Freundin los. Sie ärgerte sich über sich selbst. Hätte sie nur nicht so hingestarrt. Sie nahm sich vor, das nächste Mal gelassener zu reagieren, und quetschte sich hinter Emma durch die Reihe an etlichen Knien vorbei.
»Ist hier noch frei?«
Emma sprach einen Typen an, der sein Kinn in die Hand stützte und gelangweilt vor sich hinbrütete. Er sah auf, antwortete mit einem gleichgültigen Achselzucken. Als Nele sich an ihm vorbeischlängelte, ging ein Ruck durch seinen Körper. Für den Bruchteil einer Sekunde begegneten sich ihre Blicke. Ein undefinierbares Gefühl durchfuhr sie. »Setz du dich da hin«, raunte sie Emma zu.
Doch Emma hörte sie bei dem Lärm nicht und marschierte schnurstracks weiter bis zum nächsten Stuhl, sodass Nele nichts anderes übrig blieb, als mit dem Platz neben dem Unbekannten vorliebzunehmen. Verstohlen musterte sie ihn. Mit dem dunklen, zerzausten Haar und den hohen Wangenknochen erschien er ihr wie ein geheimnisvoller Krieger aus einer anderen Zeit. Sie konnte ihn sich auf einem Hügel in den schottischen Highlands vorstellen, den Blick auf das weite Meer gerichtet, während sein schwarzer Umhang vom Wind aufgebläht um ihn herumwirbelte. Nele, die Fantasie geht mal wieder mit dir durch , wies sie sich innerlich schmunzelnd zurecht. Ein wenig unheimlich war ihr dieser Kerl – und ja, irgendwie kam er ihr bekannt vor. Sie fühlte sich an jemanden erinnert, aber sie kam nicht darauf, an wen. Während sie erneut in seine Richtung schielte, schob sich ein anderes Gesicht in ihre Gedanken. Bislang hatte sie Jake im Saal nicht entdecken können. Hatte sie ihn übersehen? Sie ließ ihren Blick über die Köpfe hinwegschweifen. Enttäuschung machte sich breit. Sie neigte sich zu Emma. »Er ist nicht hier.«
»Was? Wer?« Emma starrte sie verständnislos an.
»Shhh! Ich meine Jake. Er ist nicht da.«
Emma scannte den Raum. »Ich kann ihn auch nicht sehen. Sein Name stand aber auf der Liste. Er und Sandy haben sich übrigens letztes Schuljahr im Theaterklub kennengelernt.«
Schon wieder Sandy. Nele knirschte mit den Zähnen. »Die ist jedenfalls da. Ich hatte schon das Vergnügen.«
Emma grinste. »Dann schätze ich, dass Jake nicht weit ist. Sandy kreist grundsätzlich in seinem Orbit.«
»Großartig«, meinte Nele trocken. »Vielleicht kommt er ja noch.« Sie lehnte sich zurück und stieß einen leisen Seufzer aus.
»Alles in Ordnung?«
Nele sah auf. Erneut begegnete sie den braunen Augen ihres Sitznachbarn. Sie waren dunkel wie Zartbitterschokolade. Tief und unergründlich. »Natürlich.« Rasch richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf die Bühne.
Ein plötzliches Raunen ging durch die Reihen. Flotten Schrittes betrat ein hochgewachsener, grauhaariger Mann den Saal. Seine Oberlippe zierte ein dicker Schnauzbart. Er sah ein bisschen aus wie der Privatdetektiv aus den Achtzigern, für den Mama schwärmte. Er hatte eine zierliche Blondine Anfang dreißig im Schlepptau, deren blonde Locken wippten, als sie versuchte, mit ihm Schritt zu halten. Leichtfüßig hüpfte er die Stufen zur Bühne hinauf. Nele starrte auf seinen Oberlippenbart. Wer in aller Welt trug heutzutage noch so einen altmodischen Schnauzer? Sie spürte ein hysterisches Kichern aufsteigen.
»Was ist los?« Emma sah sie schief von der Seite an.
»Nichts. Es ist nur – der Bart von diesem Typ da vorn. Unglaublich …« Sie brach ab.
»Oh, ja.« Emma lachte leise auf. »Das ist Moface. Er und sein Bart sind seit über dreißig Jahren unzertrennlich, habe ich mir sagen lassen. Er ist ein cooler Lehrer. Die Kids mögen ihn, auch wenn er manchmal streng sein kann.«
Moface wechselte ein paar Worte mit seiner Partnerin, dann griff er zum Mikrofon. »Hallo miteinander.« Geduldig wartete er, bis auch das letzte Gemurmel erstarb. »Herzlich willkommen im Art und Drama Center. Ich bin Frank Fillmore und leite die diesjährige Produktion des Musicals `West Side Story´.« Er machte eine bedeutsame Pause.
»O Gott, ich kenne die Geschichte«, sagte Nele. »Johanna und
Weitere Kostenlose Bücher