Herzklopfen - Down Under (German Edition)
ich haben sie schon gefühlte tausend Mal im Fernsehen angesehen.«
Emma drückte grinsend ihren Arm. »Dann wird das hier eine Kleinigkeit für dich. Bewirb dich für die Rolle der Graziella!«
»Verspotte mich nur.«
»Miss Decintio, meine Assistentin«, fuhr Fillmore fort und erhob etwas die Stimme, um sich gegen die zunehmende Geräuschkulisse durchzusetzen, »wird euch gleich in Gruppen einteilen. Jeder erhält ein Blatt mit einigen Zeilen eines vorgegebenen Lieds. Ihr habt rund zwanzig Minuten Zeit zum Üben. Währenddessen werde ich mir die Schüler und Schülerinnen vornehmen, die im Orchester mitspielen wollen.«
»Müssen wir unbedingt vorsingen?«, piepste es aus einer der hinteren Reihen.
Nele dankte der Unbekannten von Herzen. Wie gut, dass jemand den Mut aufbrachte, diese Frage zu stellen, denn das Singen bereitete ihr ebenfalls ziemliche Bauchschmerzen. Eines war sicher. Wenn sie aufgefordert werden würde, ihre Gesangskunst zum Besten zu geben, dann wäre sie schneller draußen, als sie »Steak and Kidney« sagen könnte. Ein typisch australischer Ausdruck für Sydney, wie ihn ihr Gastvater häufig verwendete. Nichts und niemand würde sie jemals dazu bringen, allein vor fremden Menschen zu singen. Das hatte schon im Kindergarten und auf ihrer alten Schule nicht geklappt. Es würde auch hier nicht funktionieren. Gespannt wartete sie auf Fillmores Antwort.
Seine Augen funkelten belustigt hinter den Brillengläsern. »Nun. Wem es bis jetzt entgangen sein sollte: Wir planen eine Musicalproduktion. In der Regel wird bei einem Musical gesungen, deshalb schlage ich vor, dass diejenigen, die sich für eine Hauptrolle bewerben möchten, mir eine Kostprobe ihres Könnens abgeben. Die anderen können gern zu zweit oder auch in der Gruppe vortragen.« Fillmore schob seine Brille, die auf die Nasenspitze gerutscht war, mit dem Zeigefinger zurück. »Beantwortet das Ihre Frage, Miss?«
»Danke«, kam es kleinlaut von hinten.
Emma beugte sich zu Nele herüber. »Siehst du«, flüsterte sie. »Alles halb so wild.«
»Ich weiß nicht. Vielleicht war es trotzdem ein Fehler, herzukommen.« Was machte das alles für einen Sinn, wenn Jake nicht hier war? Vielleicht bewarb er sich dieses Jahr nicht. Unschlüssig blickte sie Emma an. In diesem Moment ging am Ende des Saals einer der großen Türflügel mit einem leisen Quietschen auf. Sämtliche Köpfe fuhren herum. Es war Jake, der ein wenig betreten im Eingang stand.
»Entschuldigung. Bin etwas spät.« Mit einer verlegenen Geste fuhr er sich durch den Haarschopf.
Neles Herzschlag setzte aus. Und nun? Doch bleiben?
»Mr Stevens. Schön, dass Sie noch zu uns gefunden haben.« Moface schenkte dem späten Ankömmling ein spöttisches Lächeln. In seinem Mund blitzte es golden auf. »Bitte suchen Sie sich einen Platz, damit wir fortfahren können.« Vereinzelt brandete Gelächter auf.
»Penner«, stieß Neles Sitznachbar verächtlich hervor.
Nele sah ihn erstaunt an, bevor sie sich erneut nach Jake umwandte. Hatte er Moface oder Jake damit gemeint? Seltsamer Typ … Ein Ausdruck der Überraschung glitt über Jakes Gesicht, als er im Vorbeilaufen Neles Blick auffing. Sie lächelte ihm zu, während ihr Herz wie verrückt gegen ihre Rippen hämmerte, und er hob grüßend eine Hand.
»Wären Sie so freundlich, mit dem Einteilen der Gruppen zu beginnen?«, bat Fillmore seine Assistentin.
Miss Decintio war so freundlich.
»Er ist da.« Neles Stimme bebte ein bisschen, während sie in den Schatten eines ausladenden, weiß blühenden Akazienbuschs rückte.
»Hab ich’s dir nicht prophezeit?« Emma strich sich eine Strähne hinters Ohr. »Ich war mir sicher, dass er auftaucht.« Sie sah auf die Armbanduhr. »Meinst du nicht, wir sollten endlich anfangen, unseren Text zu lernen, auch wenn du offensichtlich an nichts anderes mehr denken kannst als an einen gewissen jungen Mann mit faszinierend blauen Augen? Wir haben noch genau achtzehn Minuten.«
»Wir? Du bist also mit von der Partie?«
Emma legte den Kopf schief. »Ich kann dich doch unmöglich allein deinem Schicksal überlassen.«
Nele ließ ihr Blatt ins Gras segeln, um Emma zu umarmen. »Fantastisch. Du bist eine wahre Freundin!«
»Fair dinkum.«
Nele löste sich von ihr. »Was?«
»So nennt man das hier. Eine echte Freundin. Du willst doch lernen, wie eine Australierin zu sprechen.«
Nele grinste und vertiefte sich pflichtbewusst in ihren Text, auch wenn es ihr schwerfiel, sich zu konzentrieren.
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