Herzklopfen - Down Under (German Edition)
»Für dich immer noch Sandra, Behrmann. Freunde nennen mich Sandy.«
Nele zuckte gleichgültig mit den Achseln.
»Ich scherze nicht«, fuhr Sandy alias Sandra fort. »Halt dich von ihm fern. Ansonsten …«
»Ansonsten was?« Nele befreite sich aus ihrem Griff. »Willst du mich verprügeln?«
Sandy bleckte ihre schimmernden Zähne. »Ich hab so meine Methoden, verlass dich drauf.«
»Ich will nichts von Jake.«
»Sicher. Und ich bin der Zauberer von Oz.«
»Jake entscheidet selbst, mit wem er Umgang pflegt.«
»Wie gestelzt du sprichst. Haben sie dir dieses Englisch in deinem bescheuerten Deutschland beigebracht?«
»Hör zu, Sandy, Sandra«, verbesserte Nele schnell, wobei sie den Namen unnatürlich in die Länge zog, »lass mich einfach in Ruhe. Ich kenne Jake kaum, was also soll das hier?«
»Halt die Klappe.« Sandy stemmte ihre Hände in die Hüften. »Und jetzt hör gut zu, was ich dir zu sagen habe: Jake und ich sind wieder zusammen. Wir sind ein Paar. Kapiert?«
Neles Brauen schnellten in die Höhe, bevor sie es verhindern konnte. Sie gab sich Mühe, nicht schockiert auszusehen.
»Da staunst du, nicht wahr?« Sandy lachte höhnisch. »Ich gebe zu, es hat ein wenig Überzeugungsarbeit erfordert, aber letztendlich hat er eingesehen, dass ich die Einzige für ihn bin.« Erneut zeigte sie ihre perfekten Zähne. »Gerade eben hat er mir gestanden, dass er mich ebenfalls noch liebt.« Ihre Mundwinkel zuckten, die braunen Augen blitzten triumphierend auf. »Denk also nicht einmal im Traum daran, dass Jake auch nur das Geringste für dich empfinden könnte. Da ist nichts. Niente. Nada.« Aus einem der Baumwipfel erklang das schrille Kreischen eines Kakadus. Sandy deutete mit dem Kinn in seine Richtung. »Siehst du? Selbst der bescheuerte Vogel dort oben findet diese Vorstellung einfach lächerlich.« Mit diesen Worten ließ sie Nele stehen.
Fassungslos starrte Nele Sandy hinterher. Sie schluckte, um die aufsteigenden Tränen niederzukämpfen. Sie würde nicht weinen. Er war es nicht wert. Wer war Jake Stevens denn schon? Nichts anderes, als ein blöder, eingebildeter, aufgeblasener, gut aussehender, charmanter, zauberhafter … Verdammt! Mit dem Handrücken wischte sie eine hinunterkullernde Träne von ihrer Wange.
Ihr graute davor, Taras fröhliches Geplapper ertragen oder Shirleys prüfenden Blicken ausweichen zu müssen. Während sie die Brücke überquerte, die sich über das in der Sonne glitzernde schlammbraune Wasser des Inman River spannte, kramte sie in ihrem Rucksack nach dem Handy. Der erste Anruf galt ihrer Gastmutter.
»Hallo Shirley, Nele hier. Ich geh noch ein bisschen im Ort bummeln und rufe nur an, dass du Bescheid weißt und dir keine Sorgen machst.«
»Das ist lieb, Darling. Bitte gib auf dich Acht. Soll ich Tara Bescheid sagen? Vielleicht möchte sie dich begleiten?«
»Nein«, entfuhr es Nele. Sie wollte die Gastschwester nicht sehen. Sie hatte das eindeutige Gefühl, dass Tara für ihr Gefühlschaos kein Verständnis haben würde. Nele hatte keine Lust auf einen dieser berühmten `siehst du, ich hab’s dir doch gesagt´ Ausbrüche von Tara. Seit ihrem letzten Gespräch schien die Beziehung zwischen ihnen abgekühlt. Sie wollte so gern glauben, dass Tara die Wahrheit gesagt hatte. Doch Nele fiel es schwer, ihr zu vertrauen. »Ich meine, ich bin schon mit Emma verabredet«, flunkerte sie. »Sag ihr bitte einen lieben Gruß.«
Anschließend wählte sie Emmas Nummer. Sie hatte heute noch keine rechte Gelegenheit gefunden, sich mit ihr zu unterhalten, und sie sehnte sich danach, das liebe Gesicht der Freundin zu sehen. »Können wir uns treffen? Albert Place im Café neben dem Surfladen? Bitte«, bettelte sie.
Emma seufzte tief. »O Mensch, du ahnst ja nicht, wie gern ich das machen würde, aber gerade heute Nachmittag muss ich meine Geschwister hüten. Mum hat Schicht. Tut mir leid. Gibt es etwas Besonderes?«
Emmas quirlige Mutter Belinda, von der Emma die stämmige Figur und die kornblumenblauen Augen geerbt hatte, zog ihre drei Kinder von zwei verschiedenen, unbekannt verzogenen Vätern allein groß. Sie arbeitete im Victor Harbor Krankenhaus als Pflegerin. Emma, als älteste der drei Geschwister, wurde regelmäßig zur Kinderbetreuung herangezogen, was diese jedoch mit der ihr eigenen fröhlichen Gelassenheit hinnahm. Sie liebte ihren Bruder Simon und die kleine Cassie abgöttisch, und jedes Mal, wenn Nele die Freundin mit ihren Geschwistern herumalbern sah, fühlte
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