Herzlichen Glückwunsch, Sie haben gewonnen!
Unsinn. Ich habe mich acht Sekunden lang mit ihm unterhalten, bevor du kamst. Ich muss doch wohl antworten, wenn mich jemand anspricht.«
»Acht Sekunden?« Finchen legte ihr Tuch ab und setzte sich bequemer hin. »Dann bin ich ja rechtzeitig gekommen. Denk daran, dass du verheiratet bist.«
»Tante Josefine. Ich lebe getrennt und darf dich zum hundertsten Mal daran erinnern, dass dein verehrter Max michbetrogen hat. Vielleicht könnten wir dieses Thema ein für alle Mal beenden.«
»Du bist genauso stur wie dein Vater«, antwortete Finchen. »Max versteht das alles nicht. Das hat er mir gesagt. Und denk mal an die schönen Blumen, die er dir dauernd schickt. Er leidet unter der Trennung.«
Johanna presste die Lippen aufeinander. Sie hatte es befürchtet. Tante Finchen hatte eine Mission. »Ich habe auch gelitten. Und seine blöden Blumen kann er sich …«
»Darf ich einen Moment um Ihre Aufmerksamkeit bitten?« Dennis Tackes Stimme verhinderte, dass Johanna ihren Satz beendete. Sie wandte sich von Finchen ab und starrte auf Tacke mit seiner gewachsten Frisur. Er lächelte gekünstelt, bis das Gemurmel verebbt war.
»So, danke sehr. Ich hoffe, Sie haben unseren kleinen Imbiss genossen und sitzen jetzt gestärkt und gut gelaunt wieder auf Ihren Plätzen. Vielleicht kann sich jeder vergewissern, dass sein Sitznachbar auch anwesend ist, von hier vorn habe ich den Eindruck, dass wir komplett sind.«
Vereinzelt waren Rufe wie »Ja«, »Alles an Bord« oder »Jetzt geht’s los« zu hören.
Johanna versuchte, unauffällig nach ihrer Handtasche zu angeln, was misslang, weil Finchen ihre Beine davorgestellt hatte und Johanna sie antippen musste.
»Was willst du denn? Lass doch mal meine Beine.«
»Meine Tasche. Ich muss da mal ran.«
Finchen schüttelte tadelnd den Kopf, griff aber trotzdem nach der Tasche und zog sie umständlich hoch. »Meine Güte, was hast du denn alles mit?«
»Pst. Der Vortrag.« Johanna nahm ihr die Last erleichtert ab. »Danke.«
Zum Glück war das Aufnahmegerät klein und nicht von außen zu erkennen, es war aber auch nicht einfach, die richtige Taste zu erfühlen. Johanna fummelte einen Moment in der Tasche herum, bemerkte Finchens Seitenblick, ertastete zum Glück den Schalter und drückte ihn. Daneben lag ein Pfefferminz, sie schob es sich sofort in den Mund. Dann lächelte sie Finchen an. »Halsschmerzen.« Bevor ihre Tante antworten konnte, räusperte sich Dennis Tacke.
»Meine verehrten Gäste.« Er trat ein paar Schritte vor, damit ihn alle bemerkten. »Ich habe gesehen, dass es während unserer kleinen Rast bereits Kontakte untereinander und die ersten Gespräche gegeben hat. Das freut uns als Veranstalter natürlich, denn genau darum geht es hier. Wir wollen Menschen zusammenbringen und Verbindungen knüpfen.«
Tacke machte eine Pause und wartete auf zustimmende Laute. Johanna unterdrückte ein Stöhnen, während Finchen sie von der Seite beobachtete.
»Ich habe Ihnen bereits einige Informationen zu unserem Reiseziel gegeben, gestatten Sie mir noch weitere, um die Vorfreude auf das vor uns liegende Wochenende zu erhöhen. Warum fahren wir mit Ihnen an die Schlei? Ich sage es Ihnen: weil es sich um ein Paradies handelt. Romantische Buchten, weite Strände, malerische Dörfer und intakte Natur, das erwartet uns. Wir nennen sie auch Ostseefjord, diese wunderbare Gegend, die die Herzen von Spaziergängern, Radfahrern, Badefreunden, Reitern, Wassersportlern, aber auch Kulturinteressierten höher schlagen lässt.«
Dennis Tacke senkte seine Stimme und setzte ein joviales Lächeln auf. »Gestatten Sie mir, privat zu werden: Ich persönlich bin ein großer Fan dieser Region. Schon als Kind habe ich hier mit meinen Eltern Sommerferien gemacht.Noch heute zehre ich von diesen Erinnerungen an die perfekten Sommer, an den Geruch von Meer, Fisch, Wäldern und Sommerblumen. Allein die Namen der Orte: Fleckeby, Brodersby, Maasholm, Grödersby, Süderbrarup, Kappeln, Arnis, das klingt doch wie Musik.«
Tacke strich beiläufig über sein Haar, biss sich auf die Lippe und fuhr tapfer fort: »Wir hatten nicht viel Geld, aber meine Eltern hatten viel Liebe. Wir konnten uns nur einen kurzen Urlaub auf dem Campingplatz leisten, ein paar Tage im Zelt, in dem meine Mutter auch noch selbst gekocht hat. Aber wir waren im Paradies. An der Schlei. Für mich waren es die schönsten Ferien, die ich mir vorstellen konnte. Trotzdem, meine Damen, meine Herren, trotzdem habe ich seit diesen Zeiten immer
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