Herzlichen Glückwunsch, Sie haben gewonnen!
im Sender kennengelernt. Max arbeitete als Redakteur im Kulturressort, war der schönste Mann, den Johanna je gesehen hatte, und zufällig gerade Single. Johanna verliebte sich, sie wurden ein Paar, zogen nach einigen Monaten zusammen, beschlossen zu heiraten, taten das auch und alle waren begeistert. Wirklich alle, besonders Finchen, die von Max völlig verzaubert war.
Deshalb hatte Finchen sich auch sehr großzügig gezeigt, als Max und Johanna die Eigentumswohnung besichtigten, die sehr schön, aber für ihre Verhältnisse viel zu teuer war. Finchen liebte Wohnungsbesichtigungen und war entschlossen, ihrer Patentochter eine üppige Finanzspritze zu geben, was sicher sehr viel mit Max Schulzes dunklen Locken und seinem Charme zu tun hatte.
Und dann war vor vier Wochen das Unfassbare passiert: Johanna hatte Max rausgeschmissen. Der Grund war Mareike Wolf. Ein blasses, mageres Wesen mit nichtssagendem Gesicht. Sie hatte einen ziemlich langweiligen Roman geschrieben, auf einer Veranstaltung Max kennengelernt und sich anscheinend in ihn verknallt. Zumindest bombardierte sie ihn seitdem mit elegischen Mails, in denen sie um ein Treffen bat. Johanna verriss in ihrer Sendung den Roman und Mareike erhöhte die Taktung bei der Eroberung von Max. Was in der Nacht der Buchpremiere genau passiert war, wollte Johanna gar nicht wissen. Max behauptete, er könne sich nicht erinnern. Das konnten aber die Kollegen, die Max und Mareike an dem Abend in enger Umarmung gesehen und Johanna sofort und brühwarm davon erzählthatten. Sie selbst fand ein paar Tage später in Max’ Auto einen unglaublich hässlichen Ohrring. Auf dem Autorenfoto baumelte genau so einer an Mareike Wolfs Ohr. Das reichte.
Daniel vermutete, dass Max unter Drogen oder Alkohol gestanden hatte. »Ich bitte dich, Max kann doch nicht bei Verstand sein, wenn er sich mit so einem Fisch einlässt. Ich weiß gar nicht, wo die ihr Selbstvertrauen hernimmt, ich finde diese Frau unterirdisch.«
Johanna hatte ihn heulend darauf hingewiesen, dass er das als schwuler Mann gar nicht beurteilen könne.
Max beteuerte weiter, dass nichts von Bedeutung passiert sei, und Johanna glaubte ihm kein Wort. Zu eindeutig waren die Gerüchte im Sender, ganz zu schweigen von den E-Mails, die diese Frau geschrieben hatte. Ein paar davon hatte Johanna gelesen. Danach wusste sie, warum der Roman so schlecht war.
»Johanna.« Finchen stieß ihr den Ellenbogen in die Rippen. »Du stöhnst. Und Herr Tacke hat gerade gesagt, dass wir gleich unsere Pause machen. Das wird auch Zeit, ich muss mal. Hast du zufällig Kleingeld?«
Erschrocken rappelte Johanna sich auf und sah an ihrer Tante vorbei durchs Fenster. Der Bus ordnete sich bereits auf die Ausfahrt zur Raststätte ein. Unter den Reisenden entstand eine leichte Unruhe. Jacken wurden angezogen, Handtaschen durchsucht, Geld wurde gewechselt, Johanna konnte sich die Schlange vor den Toiletten jetzt schon vorstellen.
Fahrer Kock parkte den Bus am Ende des großen Parkplatzes, stellte den Motor aus und öffnete die Türen. Sofort drängten die Ersten zum Ausgang, doch bevor sie den Bus verlassen konnten, griff Dennis Tacke wieder zum Mikrofon.
»Einen kleinen Moment, bitte. Nur zum Ablauf. Sie können sich jetzt gern ein wenig die Beine vertreten, wir treffen uns anschließend vor dem Bus wieder. Frau Wagner und Herr Kock haben ein kleines Frühstück vorbereitet, zu dem wir Sie herzlich einladen. Also bis gleich.«
Finchen murrte leise, weil sie nicht draußen im Stehen oder sitzend im Bus essen wollte, wenn es doch hier ein Restaurant gab. Dann beeilte sie sich aber, schnell zu den Toiletten zu kommen.
Johanna folgte ihrer Tante zwar aus dem Bus, schloss sich ihr aber nicht an. Stattdessen schlenderte sie zu einer Bank, von der aus sie sowohl die Rückkehrer als auch die Vorbereitungen der Busbelegschaft beobachten konnte. Sie war nicht die Einzige, die in der Nähe des Busses blieb. Auch Walter verharrte an der Tür, sah sich kurz um und kam langsam auf sie zu.
»Sie müssen wohl auch nicht?«
»Nein.« Johanna hob den Kopf und sah ihn an. Er wirkte eigentlich ganz sympathisch, auch wenn er ein schlechter Autofahrer war. Und sie hatte ihn so angepöbelt. »Ich gehe später, wenn die Schlange sich aufgelöst hat.«
»Eine gute Entscheidung.« Er deutete auf die Bank. »Darf ich?«
»Natürlich.« Sie rutschte ein Stück zur Seite und er setzte sich.
»Und? Gefällt Ihnen die Reise bis jetzt?«
Small Talk konnte er auch nicht.
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