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Herzstoss

Herzstoss

Titel: Herzstoss Kostenlos Bücher Online Lesen
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haben, Sie wären Audreys Mutter, hätte ich mir fast in die Hose gemacht.«
    »Die beiden sind sich nie persönlich begegnet«, erklärte Audrey.
    »Schon seltsam, wie die Dinge manchmal auskommen, oder?«, meinte Claire.
    »Allerdings«, sagte Liam und stand auf. »Und jetzt sollten wir besser aufbrechen und diese beiden charmanten jungen Damen nicht weiter …«
    »Ich denke, Sie sollten sie anrufen«, sagte Marcy, die sitzen geblieben war. »Sagen Sie ihr, wo sie sind. Sagen Sie ihr wenigstens, dass es Ihnen gut geht.«
    »Das ist ihr egal.«
    »Sie ist Ihre Mutter«, erwiderte Marcy mit Nachdruck. »Es ist ihr bestimmt nicht egal.«
    Es entstand ein Schweigen.
    »Wir sollten wirklich los«, sagte Liam dann.
    Marcy erhob sich. »Vielen Dank für Ihre Freundlichkeit.«
    »Ganz zu schweigen von den fantastischen Muffins.«
    »Warten Sie. Ich geb Ihnen ein paar für zu Hause mit.« Claire rannte nach hinten in die Küche.
    »Nein, das ist wirklich nicht nötig. Sie haben schon mehr als genug getan.«
    »Tut mir leid, dass es nicht so ausgegangen ist, wie Sie es sich erhofft haben«, sagte Audrey, als Claire mit einer Tüte Muffins zurückkam und sie Liam gab.
    »Rufen Sie Ihre Mutter an«, sagte Marcy, bevor sie Liam nach draußen folgte.
    »Als Devon ein kleines Mädchen von zwei oder drei Jahren war«, erzählte Marcy Liam, als sie die Außenbezirke von Cork erreichten, »hat sie mit ihren Filzmalstiften alle Wände im Wohnzimmer bemalt. Ich hatte die Wände gerade frisch streichen lassen. Ich meine, die Maler waren buchstäblich am Tag zuvor fertig geworden. Und ich habe mit Judith telefoniert. Ich glaube, sie war damals zwischen zwei Ehemännern. Jedenfalls hatte sich bei ihr irgendeine größere Katastrophe ereignet, und ich hab versucht, sie zu beruhigen und ihr klarzumachen, dass das nicht das Ende der Welt wäre. Was auch immer. Ist auch egal. Ich war jedenfalls am Telefon und habe nicht auf Devon achtgegeben, die still in der Küche gemalt hatte und offenbar irgendwann mit ihren Filzstiften ins Wohnzimmer umgezogen war, ohne dass ich es bemerkt hatte. Und dann war sie plötzlich wieder da, strahlte übers ganze Gesicht und sagte: ›Mommy, guck mal, was ich gemacht habe.‹ Sie hat mich immer ›Mommy‹ genannt. Selbst als sie schon erwachsen war noch. Das habe ich immer geliebt.« Tränen standen in Marcys Augen. »Jedenfalls hat sie meine Hand genommen, mich ins Wohnzimmer geführt und mir voller Stolz die frisch bemalten Wände gezeigt. Oh, sie war wirklich so stolz darauf, was sie getan hatte.« Marcy atmete tief ein und wusste nicht, ob sie weitererzählen sollte. »Und ich habe nur all die schwarzen, roten und grünen Kringel auf meiner frisch eierschalenfarben gestrichenen Wand gesehen. Ich habe von dem glücklichen kleinen Gesicht zu den beschmierten Tapeten geguckt und an das ganze Geld gedacht, das ich gerade ausgegeben hatte. Und ich habe gespürt, wie die Wut in mir aufstieg wie Lava in einem Vulkan. Eine leise Stimme in meinem Kopf hat mich ermahnt, ruhig zu bleiben, nicht übertrieben zu reagieren, vielleicht konnte man es abwaschen, und selbst wenn nicht, würde ich die Maler eben noch einmal kommen lassen, davon würde die Welt nicht untergehen und all die Sachen, die ich Judith gerade erklärt hatte. Und ich habe gesehen, wie gespannt Devon war, wie sie darauf wartete, dass ich ihr sagte, wie schön ihr Gemälde war. Ich wusste, ja, ich wusste , dass ich genau das tun und ihr dann später erklären sollte, dass man Wände nicht einfach so anmalen darf, genau wie es in jedem Elternratgeber empfohlen wird. Aber noch während ich all das dachte, spürte ich, wie meine Wut sich zusammenballte und meine Züge verzerrte, während ich Devons Gesicht betrachtete, ein kleines Gesicht voller Stolz und Glück. Ich sah, wie es sich vor meinen Augen auflöste, als würde es schmelzen. Und ich hörte diese schreckliche Stimme, meine Stimme, die schrie: ›Was hast du getan? Mein Gott, was hast du getan?‹ Devon flehte mich weinend an, ich solle aufhören zu schreien. Aber ich konnte nicht. Ich ging ins Esszimmer und sah, dass sie dort das Gleiche getan hatte, worauf ich ein weiteres Mal ausflippte. Ich schrie und schimpfte. Plötzlich erstarrte Devon und hielt sich den Bauch, als hätte ich sie geschlagen, drehte sich um und beugte sich vor. Dann jaulte sie auf, ein schrecklicher Schrei, den ich nie vergessen werde. Wie ein verwundetes Tier. Es war furchtbar. Einfach furchtbar.«
    »Marcy«, sagte Liam

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