Herzstück mit Sahne: Roman (German Edition)
reingemogelt. Also ist allerbestes Benehmen angesagt, Jungs. Kein Geknutsche, okay?«
»Schön wär’s«, seufzt Frankie. Er sieht so unglücklich aus, dass er mir von Herzen leidtut. Ein Jammer, dass Gabriel sich nicht für Frankie zum Coming-out entschließen kann. Das würde das Leben der beiden so viel einfacher machen, oder?
»Sie muss an irgendwas dran sein«, sagt Gabriel besorgt. »Man nennt sie nicht umsonst den ›Rottweiler‹. Katy, du darfst mir nicht von der Seite weichen. Nimm mich am besten an der Hand oder so.«
Doch ich habe mitnichten die Absicht, mit Gabriel Händchen zu halten. Ich höre sogar kaum, was er sagt, denn etwas nimmt jetzt meine Aufmerksamkeit ganz und gar in Anspruch. Gerade schreitet nämlich ein Mann mit weißem Pluderhemd, engen beigen Kniehosen und hohen Stiefeln durch die Eingangshalle. Sein langes lockiges Haar ist im Nacken mit einer Samtschleife zusammengefasst, und er hält einen Dreispitz in der Hand. Es handelt sich um keinen Geringeren als Ollie.
Mir verschlägt es die Sprache.
Er ist als Johnny Depp gekommen, im Stil von Fluch der Karibik aufgemacht.
Und sieht absolut umwerfend aus.
Meine Beine verwandeln sich in verkochte Spaghetti, und mein Herz schlägt einen Trommelwirbel, als sich unsere Blicke begegnen. Und als er mir dann dieses leicht schiefe Lächeln zuwirft, ist es um mich geschehen. Also ehrlich! Da verfasse ich jahrelang romantische Klischees, und dann erlebe ich so was am eigenen Leibe. Und das auch noch mit Ollie, dem Mann, den ich für die Heldenrolle als ungeeignet aussortiert hatte. Ollie, der den Klodeckel nicht zuklappt, leidenschaftlich gern Knoblaucholiven futtert, heimlich raucht und grässliche Sendungen im Fernsehen schaut.
Dieser Ollie. An den ich an jedem einzelnen Tag gedacht habe, seit ich aus London weg bin.
»Ollie!«, kreischt Frankie. »Oh! Mein! Gott!« Und dann tut er das, was ich für mein Leben gern tun würde, wenn ich nicht so schüchtern wäre: Er stürzt durch die Halle auf Ollie zu und fällt ihm um den Hals. »Schätzelchen! Was siehst du wunderbar aus! Ich könnte dich glatt auffressen !«
Gabriel runzelt finster die Stirn. Manchmal kann der hübsche Bursche ziemlich verdrossen wirken.
»Wer ist das?«, zischt er.
»Ollie«, antworte ich, und dabei breitet sich ein wohlig- warmes Gefühl in mir aus. »Frankies Cousin.«
»Bleib mir vom Hals, olle Schwuchtel!«, erwidert Ollie, und die beiden rangeln ein bisschen, bevor sie sich zu uns gesellen. Ollies Pferdeschwanz hat sich gelöst, und mir fällt auf, wie lang seine Haare geworden sind – vermutlich weil ich nicht zugegen war, um mit der Küchenschere die Spitzen abzuschnippeln. Er sieht auch schmaler aus, und sein Gesicht ist gebräunt von Wind und Sonne. Auf seiner Nase tummeln sich Sommersprossen, und ich spüre den unwiderstehlichen Drang, jede einzelne zu küssen.
In einem verzweifelten Versuch, mich davon abzuhalten, trinke ich einen riesigen Schluck Champagner und verschlucke mich dabei heftig. Ollie und Frankie müssen mir minutenlang auf den Rücken hauen, bevor ich meine Lunge wieder unter Kontrolle habe.
Kein vielversprechender Anfang.
»Alles in Ordnung?«, fragt Ollie.
Ich nicke hektisch. Meine Perücke sitzt schief, und ich fürchte, ich habe eine falsche Wimper verloren, aber wenigstens bin ich noch am Leben.
»Du bist als Jordan gekommen?«, sagt Ollie. »Ich dachte, du kannst sie nicht ausstehen? Als ich diesen Fotokalender von ihr im Klo aufgehängt habe, hast du gesagt, sie sei eine hirnlose Tusse.«
Ach ja. Das war mir entfallen. Ich ermahne mich einmal mehr zur Aufrichtigkeit, hole tief Luft, schaue Ollie unverwandt an und rufe ihm seine Trampolinfantasie in Erinnerung, wobei ich zweifellos den Farbton von Rote Bete annehme.
Ollie wirft den Kopf in den Nacken und lacht, und mein Blick heftet sich auf die spielenden Muskeln an seinem Hals. Küss mich!, verkünden sie.
»Das war doch bloß ein Witz«, gluckst er. »Ich kann sie auch nicht leiden. Ich wollte dich bloß ein bisschen provozieren.«
»Im Ernst?« Stimmt das? Ich starre ihn entgeistert an. Volltreffer. Das war’s nun mit meinem Verführungsplan; er war zwar eher schlicht, aber doch wenigstens ein Plan. Und nun stehe ich hier herum in einem freizügigen Outfit, in dem mir kalt ist und das auf Ollie etwa so erotisch wirkt wie Miederhosen. Hätte ich mir doch nur eine wirklich erotische und glamouröse Rolle ausgesucht – wie dieses Mädel da drüben, das mit Chiffonrock und
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