Herzstück mit Sahne: Roman (German Edition)
glänzenden platinblonden Locken als Marilyn Monroe aufgemacht ist. In so einer Verkleidung hätte ich jetzt alles in trockenen Tüchern.
Marilyn stöckelt auf uns zu, und auf den blutroten Lippen liegt ein verführerisches Lächeln.
»Hallo«, gurrt sie und hakt sich bei Ollie ein. »Nett, dich wieder mal zu sehen, Katy. Und noch fantastischer, Sie zu sehen!«, sagt sie zu Gabriel und klimpert so manisch mit den Wimpern, dass ich fürchte, wir brauchen demnächst Erste Hilfe für ihre Augenlider. »Ich bin Nina.«
Plopp. Mir sackt das Herz schneller in die weißen Tussen-Lackstiefel, als man »geplatzter Traum« sagen kann. Na klar, Nina als Marilyn. Und danach zu schließen, wie sie mit ihrer knochigen Hand Ollies Bizeps umklammert, sind die beiden auf jeden Fall ein Paar.
Ich bin so eine dämliche Kuh. Wieso fordere ich nicht noch mehr Leute dazu auf, meine Gefühle in den Fleischwolf zu packen?
»Das ist Nina«, sage ich gekünstelt munter, um sie allen vorzustellen. »Ollies Verlobte.«
»Verlobte!«, quäkt Frankie und schaut zwischen mir und Ollie hin und her. »Verlobte?«
»Katy«, sagt Ollie, »ich glaube …«
Doch was Ollie glaubt, erfahren wir nicht mehr, denn in diesem Moment betritt Jewell die Szene, unter großem Applaus, der noch lautstark von Ricky, dem Gitarristen der Queens mit der kreischrosa Mähne, auf der E-Gitarre untermalt wird. Jewell verharrt effektvoll auf dem Treppenabsatz und winkt ihren fassungslosen Gästen zu.
Denen es die Sprache verschlagen hat, weil man schließlich nicht alle Tage eine Siebzigjährige (und hierbei wäre noch zu erwähnen, dass Jewell bereits seit etwa zehn Jahren siebzig ist) zu sehen kriegt, die als Madonna auftritt. Und zwar nicht als die Madonna aus der hippiemäßigen Ray-of-LightPhase.
Schön wär’s.
Nein, Tante Jewell hat in die Vollen gegriffen und sich die Vogue-Ära ausgesucht, mit allen Schikanen wie der Korsage mit den spitzen Körbchen von Jean Paul Gaultier und der blonden Perücke. Sie sieht aus, als wolle sie jeden Moment »Hanky Panky« anstimmen – was ich ihr voll und ganz zutrauen würde.
»Ihr Lieben«, ruft Jewell und breitet so schwungvoll die Arme aus, dass die Federn auf ihrem Hütchen ins Wippen kommen. »Ich danke euch, dass ihr alle gekommen seid, um heute meinen Geburtstag mit mir zu feiern! Ein Mädel wird schließlich nicht jeden Tag siebzig!«
Nein, nur jedes Jahr.
»Ich freue mich so, euch alle hier zu haben«, verkündet sie strahlend. »Es gibt Drinks und Häppchen, und der liebe Frankie ist so nett, mir für den heutigen Abend seine Band auszuborgen. Aber bevor ihr euch jetzt alle ins Vergnügen stürzt, möchte ich, dass ihr mir, einer alten Dame, einen Gefallen erweist und ein Spiel mitmacht.«
Alte Dame – dass ich nicht lache. Unter ihren Runzeln besteht Jewell aus Stahl. Mir ist ordentlich mulmig bei ihrer Ankündigung, denn ich mache mich bei Jewells Partyspielen auf die eine oder andere Art grundsätzlich zum Narren.
Das überrascht euch bestimmt, oder?
»Ich habe hier Zettel mit Namen von berühmten Liebenden aus Film, Literatur und Geschichte«, verkündet Jewell und schreitet die Treppe hinunter. »Die werde ich nun an euren Rücken befestigen. Ihr müsst euren eigenen Namen durch Fragen erraten!«
Sie klatscht in die Hände, und sofort eilen zwei Kellner mit Körben voller Namensschilder herbei.
»Und wenn ihr dann euren Partner gefunden habt«, fügt Jewell hinzu und heftet den Namen David Beckham auf Guys Rücken, »müsst ihr auf ein Gläschen zusammenbleiben. Ich wünsche euch viel Spaß beim Kennenlernen toller neuer Leute! Amüsiert euch!«
»Sieh dich bloß vor«, sagt meine Schwester Holly warnend, als sie – mit der Aufschrift Posh auf dem Rücken – an mir vorbeikommt. »Jewell führt bestimmt wieder was im Schilde.«
Davon bin ich überzeugt. Aber wenigstens kann ich mich auf diese Weise unauffällig von Ollie und Nina entfernen. Ich lasse mir noch ein Glas Schampus geben, beginne Fragen zu stellen und wandere ewig und drei Tage durch die Gegend. Danach weiß ich, dass ich eine Figur aus der Literatur bin und auch in einem Film aufgetaucht bin, aber das ist bislang alles. Frankie ist mit Marilyn zusammengekommen – man kann dem armen Burschen nur Glück wünschen –, und Guy und Holly plaudern angeregt.
Um mich herum verschwinden die Gäste paarweise, und ich gerate zusehends in Panik. Ich fühle mich wie damals in der Schuldisco, wenn der Stehblues anfing und ich mich mit dem
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