Herzstück mit Sahne: Roman (German Edition)
leugnen«, füge ich hinzu, als ich merke, dass er genau das tun will. »Alice Saville! Ich hab euch bei Millward zusammen gesehen, und als ich in der Wohnung anrief, war sie am Telefon.«
Für den Bruchteil einer Sekunde meine ich, Ärger in seinen Augen zu sehen, bevor sie tränennass glitzern.
»Da habe ich kurz den Verstand verloren. Diese Sache bedeutet mir nichts.«
»Aber mir!«, schreie ich. »Ich habe dich mit ihr zusammen gesehen, James! Ich habe gesehen, wie ihr euch vor dem Millward-Gebäude geküsst habt, und es sah durchaus nicht nach nichts aus! Und sie hat das Telefon abgenommen. In deiner Wohnung.«
James seufzt. »Ich muss wohl einiges erklären.«
»Ich glaube nicht, dass du irgendwas erklären kannst.«
»Will ich aber.« Der Lilienstrauß landet auf dem Boden. »Ich war wütend, verletzt und gedemütigt, und Alice hat sich mir an den Hals geschmissen. Ich hatte einfach einen Aussetzer, Pummel.«
»Nenn mich nicht Pummel!«, fauche ich. »Das finde ich unerträglich. Genauso wie die Tatsache, dass ein paar Tage nach unserer Trennung ein anderes Mädel bei dir eingezogen ist.«
»Ich war wütend auf dich!«, klagt James. »Du hast meine Beförderung ruiniert! Und du weißt genau, wie wichtig mir diese Stelle war, Pum … ähm, Katy. Du hast mich regelrecht dazu getrieben, das siehst du doch bestimmt ein?«
Ist der noch recht bei Trost? Glaubt er ernsthaft, er könne mir für sein beschissenes Benehmen die Schuld in die Schuhe schieben?
» Ich bin also schuld daran, dass du mit der ins Bett gegangen bist?«
»Das habe ich nicht gesagt. Hör mir doch richtig zu, okay?«, verlangt James, und nun höre ich eine Spur der vertrauten Gereiztheit in seiner Stimme. »Ich versuche dir zu erklären, dass die Sache mit Alice ein Irrtum war, dass das ganze dumme Missverständnis zwischen uns …«
»James, du hast mir meinen Verlobungsring weggenommen und meine Sachen aus dem Fenster gefeuert. Was gibt es daran misszuverstehen?«
»Ich habe aus Leidenschaft so gehandelt!«, schreit er und läuft rosa an, was darauf hinweist, dass er in Kürze ausrasten wird. »Ich liebe dich, Katy, und ich möchte wieder mit dir zusammen sein. Ich will dich in die Arme nehmen und nie wieder loslassen. Ich möchte, dass dein Lächeln das Letzte ist, was ich abends vor dem Einschlafen sehe. Ich … äm … möchte deine rubinroten Lippen küssen.«
Ich glotze ihn fassungslos an. Entweder hat er gerade einen Nervenzusammenbruch, oder er hat eine potentiell tödliche Dosis Schnulzenprosa abgekriegt.
»Schatz, hat unsere Liebe nicht eine zweite Chance verdient?« James setzt zum Finale an, indem er auf mich zutritt, um mich vermutlich im Romanheldenstil mit großer Geste in die Arme zu schließen. Das muss ich ihm lassen – er kennt mich gut genug, um zu wissen, welche Knöpfe er drücken muss. Er weiß, dass ich mir bei Titanic jedes Mal die Augen ausheule, er kennt meine imposante Liebesroman-Sammlung und war häufig genug dazu verdammt, das Schnulzen-Medley mit anzuhören, das ich in der Badewanne zu schmettern pflege. Früher haben ein paar zuckrige Phrasen und ein Blumenstrauß ausgereicht, damit ich gewillt war, arschlochmäßiges Benehmen zu vergeben. Es ist also nachvollziehbar, dass James nun glaubt, nach seinem Auftritt mit dem Monsterlilienstrauß und den wiedergekäuten Songtexten würde ich ihm dankbar in die Arme sinken. Schließlich weiß ja jeder, dass Katy Carter ein romantisches Seelchen ist, nicht wahr?
Aber etwas hat sich verändert, und es könnte gut sein, dass ich selbst es bin.
Seit vier Jahren bekomme ich James’ Äußerungen eingeflößt, die an meinem Selbstvertrauen nagen und mir das Gefühl geben, ich sei wirklich so unfähig und fett und dumm, wie er behauptet. Wenn einem jemand ständig sagt, dass man ein hoffnungsloser Fall ist – selbst wenn diese Bemerkungen von Lächeln und Haarewuscheln begleitet sind –, glaubt man es irgendwann.
Aber wenn er nun gar nicht recht hat und noch nie recht hatte? Wenn ich gar nicht so unfähig bin, wie er immer sagt? Ich bewältige einen anstrengenden Beruf. Ich zahle meine Rechnungen – jedenfalls meistens. Ich komme sogar mit der Angst zurecht, an Krebs erkrankt zu sein.
Vielleicht bin ich also doch nicht so ein unbrauchbares kleines Pummelchen?
»Nicht, James!« Ich hebe die Hände, um ihn abzuwehren. Urplötzlich, nachdem ich mir wochenlang inbrünstig gewünscht habe, dass er seinen Fehler bereuen und erkennen möge, dass ich die große
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