Herztod: Thriller (German Edition)
Hauptsache Schul- und Abschlusszeugnisse und Schriftverkehr mit Versicherungen. Die Akte enthielt keine Police für eine Lebensversicherung, wie Hannah rasch prüfte. Als sie wieder hochsah, traf Daniels Blick sie. »Ich muss los, Frau Kommissarin«, sagte er höflich, aber bestimmt.
»Könnten Sie sich vorstellen …«
Er schüttelte sofort den Kopf. »Ich habe Carolines Mutter versprochen, dass ich hierbleibe, während Sie sich umsehen. Bitte haben Sie Verständnis dafür.«
»Habe ich«, räumte sie sofort ein. Sie klammern sich an die Hoffnung, dass Caroline plötzlich in der Tür stehen könnte, dachte sie. Eine völlig normale Reaktion. Andererseits gab es Vermisstenfälle, die im Zusammenhang eines Familiendramas standen – ein Aspekt, über den sie angesichts der bisherigen Erkenntnisse hier jedoch lediglich still nachdenken durfte. »Was glauben Sie eigentlich, was passiert ist?«, fügte sie im Plauderton hinzu, während sie zur Wohnungstür gingen, wo Kotti wartete.
Gruber nestelte den Schlüssel aus der Brusttasche seiner Weste. »Ich denke, dass sie noch ein Date hatte, das länger als geplant dauerte, und auf dem Weg nach Bergedorf ist dann etwas passiert. Vielleicht ist sie überfallen worden … So etwas kann man nicht ausschließen, auch wenn im Moment niemand offen über eine solche Möglichkeit sprechen möchte. Noch nicht jedenfalls.«
Eine schlüssige und naheliegende Theorie, wie Hannah fand. Dabei blieb allerdings nach wie vor die Frage offen, warum Caroline ihre Verabredung mit Martina zuvor nicht einfach abgesagt hatte und die ganze Zeit unerreichbar gewesen war, auch als der Zeuge sie am Nachmittag am Elbufer sah. Nicht mal die Handyortung, die die Kollegen noch am Wochenende eingeleitet hatten, hatte irgendeinen Hinweis auf ihren Aufenthaltsort gebracht.
Das letzte Mal hatte sie mit ihrem Mobiltelefon am Donnerstagabend telefoniert, und zwar mit ihrer Mutter – so war es auch in der Akte vermerkt. Das Gespräch mit Martina und die Verabredung für den Freitagmittag war bereits am Mittwoch erfolgt: Sie wollte noch einige Besorgungen für die Feier machen und mittags hier sein – so hatten wir es zwei Tage vorher jedenfalls vereinbart, erinnerte Hannah sich sofort an die Worte der Schwester . Vielleicht ist der Zeuge der Schlüssel zum Geschehen, grübelte sie – er könnte sich geirrt haben, und Caroline war bereits am Tag zuvor verschwunden. Er könnte aber auch etwas mit ihrem Verschwinden zu tun haben. Hannah war gespannt, was die Überprüfung von Michael Folk ergeben würde.
»Halten Sie es für ausgeschlossen, dass Caroline sich aus persönlichen Gründen ohne Vorankündigung für ein paar Tage aus allem ausgeklinkt hat?«, wandte sie sich wieder an Gruber. »Immerhin hatte sie Urlaub.«
Daniel sicherte die beiden Türschlösser und überlegte einen Moment. »Wenn es nicht gerade an Rudis Geburtstag gewesen wäre, würde ich diese Variante durchaus in Betracht ziehen«, meinte er schließlich. »Aber so …« Er schüttelte den Kopf. »Nein. Der Großvater war ihr wichtig, ist ihr wichtig. Sie hätte ihn nicht einfach versetzt, sondern mit ihm gesprochen, da bin ich ebenso sicher wie der Rest der Familie.«
»Wie ist eigentlich Ihr Verhältnis zu Caroline?«, fragte Hannah. Im Hausflur roch es plötzlich intensiv nach Zitronenreiniger, irgendwo erklang leise Musik, ein Kind lachte.
Daniel überlegte nur kurz. »Nicht besonders eng, man kennt sich halt und sieht sich im Familienkreis. Wir haben einander immer respektiert – Ende.«
Hannah nickte nachdenklich. »Martina und Caroline verstehen sich nicht hundertprozentig gut, oder?«
Daniel warf ihr einen erstaunten Blick zu, dann bemühte er sich um ein Lächeln. »Ach, wissen Sie, Schwestern sind sich häufig nicht grün – das zumindest ist meine Erfahrung, undich weiß, wovon ich spreche, denn ich habe auch zwei Schwestern, die sich immer wieder in den Haaren liegen, seit ihrer Kindheit. Caroline ist eine attraktive, selbstbewusste Frau, und Martina macht sich oftmals kleiner, als sie ist, erst recht seit …« Er brach ab, und sein Blick verdüsterte sich abrupt.
Nächstes Jahr werden die beiden heiraten. Sie wollten sich eigentlich schon in diesem Mai das Jawort geben, aber dann … Martina hatte eine Fehlgeburt, und … aber das gehört gar nicht hierher. Luise Meisners Worte tauchten vor Hannahs innerem Auge auf.
Gruber räusperte sich. »Gehen wir?«
Hannah schüttelte den Kopf. »Ich möchte noch mit einigen
Weitere Kostenlose Bücher