Herztod: Thriller (German Edition)
zeigte auf die oberste Reihe der Fotos, die Caroline aus verschiedenen Blickwinkeln zeigte. Sie lag ausgestreckt auf dem Boden. Der Dolch ragte wie ein monströses Ausrufezeichen aus ihrer Brust. »Fingerabdrücke konnten nicht gesichert werden und sind sehr wahrscheinlich von der Tatwaffe abgewischt worden.«
»Die Zugangsstraße zum Bismarckstein ist für den Durchgangsverkehr gesperrt«, ergriff Hannah das Wort, als niemand etwas sagte. »Der Täter müsste sich demnach also die Mühe gemacht haben, die Leiche einige Meter durch den Wald zu schleppen, wenn wir davon ausgehen, dass er mit dem Wagen gekommen ist.«
Gerd Kuse drehte sich zu ihr um. »Das ist sehr wahrscheinlich und dürfte kein Problem gewesen sein. Der Täter könnte am Falkentaler Weg geparkt haben, von dort sind es kaum zweihundert Meter bis zum Aussichtspunkt – mitten durch die Botanik, erst recht in der Dunkelheit, fällt das kaum auf. Zwischendurch hat er sie mal abgelegt, um sich zu ducken oder zu verschnaufen, und davon könnten die Erdkrumen stammen.«
Hannah nickte. »Außerdem war die Frau klein und zierlich, ein Leichtgewicht …«
»Woher wissen Sie das?«, mischte sich Florian Decker ein.Er trug als Einziger in der Runde ein gut geschnittenes Sakko über einem weißen Shirt und hatte eine dezente Spur Gel zuviel im Haar.
»Ich habe sie besucht und mit ihr gesprochen – am Donnerstag, nach ihrem plötzlichen Auftauchen nach knapp zwei Wochen spurlosem Verschwinden. Die Frau dürfte deutlich unter sechzig Kilo wiegen.«
Schaubert räusperte sich. »Sie hat sich jegliche Einmischung verbeten und sprach von rein privaten Problemen«, beeilte er sich hinzuzufügen.
»Nun sind sie nicht mehr privat«, kommentierte Jan Pochna in schnoddrigem Tonfall und verschränkte die Hände ineinander. Der Mann war untersetzt und stiernackig, sein schulterlanges Haar wirkte ungepflegt. Er bildete einen lebhaften Gegensatz zum smarten Kollegen Florian Decker. »Warum legt jemand da oben eine Leiche ab? Oder besser gefragt – warum macht sich der Täter die Mühe, sie dort hinaufzuschleppen?«
»Nicht weit von dort ist sie vor ihrem Verschwinden zum letzten Mal gesehen worden – das zumindest berichtet ein Zeuge«, führte Hannah aus. »Der wirkte auf mich ein wenig unaufrichtig in seinem Bemühen, aber lassen wir das im Moment mal beiseite. Auf jeden Fall kann aus ihrem Familienund Bekanntenkreis niemand einen Bezug zu Blankenese herstellen.«
»Nun, vielleicht erkennen Sie als Psychologin und aufgrund Ihrer Nachforschungen diesen Bezug«, meinte Pochna. Der Tonfall der Bemerkung war dezent ironisch untermalt.
Hannah lächelte. »Ich könnte eine These wagen.«
»Wagen Sie!«
»Ich vermute, wie einige Menschen in Carolines Umfeld auch, dass es einen Liebhaber gibt, über den das Opfer selbst immer beharrlich geschwiegen hat. Auf Andeutungen und Nachfragen ist sie nie eingegangen«, erläuterte Hannah. »Einen wie auch immer gearteten Zusammenhang mit ihrem Entschluss, eine zweiwöchige Auszeit zu nehmen, ohne darübermit jemandem zu sprechen, und dem Mord zu vermuten, dürfte nicht allzu weit hergeholt sein.«
»Stimmt«, meinte Florian Decker.
»Vielleicht haben die beiden sich in Blankenese kennengelernt, und/oder es gibt eine intime Bedeutung«, fuhr Hannah fort. »Intimität spielte eine große Rolle im Leben der Meisner – sowohl in sexueller Hinsicht, wenn man dem neugierigen Nachbarn glauben möchte, der regelmäßig laute Bettszenen mitgehört zu haben behauptet, als auch bezüglich ihrer Bemühungen, ein Geheimnis aus eben dieser Liebesbeziehung sowie einem Teil ihres Lebens zu machen, vielleicht notgedrungen. Unter Umständen ist er verheiratet, ein Prominenter, wie auch immer.« Sie zog die Schultern hoch. »Keiner kennt den Liebhaber, bis auf den Nachbarn, der auch erwähnt, dass der Mann Caroline seit einigen Monaten regelmäßig besuchte. Ihr Lebensstil – viele Reisen, teure Wohnung, wahrscheinlich jede Menge Bargeld – spricht für einen reichen Mann im Hintergrund, der mit Geldgeschenken nicht gespart hat und ihr ermöglichte, auf großem Fuß zu leben. Nur in Erscheinung treten wollte er nicht. Dazu passt, dass sie ihrer Familie gegenüber den Eindruck zu erwecken versuchte, sie könne sich ihren Lebensstil vom Gehalt einer Bibliothekarin leisten, was völlig ausgeschlossen ist. Eine studentische Aushilfskraft beschreibt sie übrigens als arrogant und herablassend, als hielte sie sich für etwas Besseres, und die
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