Herztod: Thriller (German Edition)
habe ich mich mit dem Personal beschäftigt und einige Mitarbeiter herausgesucht, die in letzter Zeit ihren Job bei Biltner verloren haben – davon gibt es nämlich auffällig viele. Sieht ganz so aus, als hätte der Mann, je mehr Macht er ausübte, immer mehr wichtige Stellen neu besetzt, aber ausgeschiedene Mitarbeiter wurden mit ordentlichen Abfindungen ruhiggestellt.«
»Interessant.«
»Denke ich auch. Kein einziger ist vor’s Arbeitsgericht gezogen, und nur eine Frau ist bereit, mit uns zu reden, sofern wir ihr Diskretion zusichern. Auch sie war sehr zurückhaltend. Ich halte es für eine gute Idee, wenn Sie mitkommen und das Gespräch führen.«
»Selbstverständlich gerne.«
Katja Wohle war Anfang dreißig und wohnte am Ortsrand von Pinneberg in einem unscheinbaren, auf den ersten Blick bieder wirkenden Bungalow, der sich hinter dichten Hecken und Tannen und einer wuchtigen Mauer aus Natursteinen verbarg, auf der sich zwei Katzen räkelten – eine davon, ein roter Kater mit imposantem Kopf, dürfte mehr auf die Waage bringen als Kotti. Vor der Garage stand ein Mountainbike, Sonnenblumen reckten sich gen Himmel, eine Gießkanne mit rostigem Griff stand bereit. Bis auf das Fahrrad schien alles in ein lauschiges Sechziger-Jahre-Ambiente getaucht. Vielleicht hat sie das Häuschen von der Großmutter geerbt, dachte Hannah.
Im Inneren ertönte eine sanfte Glocke. Die Frau, die ihnen kurz darauf öffnete, trug bequeme Shorts und ein dünnesShirt, das den Blick auf ihren flachen Bauch freigab. Sie hatte dunkelgrüne Augen, kastanienrotes Haar und wirkte durchtrainiert. Hannah spürte, dass Decker sie kurz, aber intensiv taxierte, bevor er mit ausgesuchter Freundlichkeit grüßte und Hannah vorstellte.
»Kommen Sie herein«, sagte Wohle und lächelte, als sie Kotti entdeckte. Dann ging sie voraus. »Mögen Sie etwas trinken?«
»Bei der Wärme keine schlechte Idee«, stimmte Decker zu.
Küche, Wohn- und Esszimmer bildeten eine farbenfrohe Einheit, die erstaunlich großzügig wirkte. Sie nahmen auf Bistrostühlen neben der offenen Verandatür Platz. Die beiden Katzen hatten ihren Mauerplatz verlassen und stolzierten mittlerweile durch den Garten – die Schwänze wie zitternde Antennen hochgereckt. Kotti legte den Kopf auf die Vorderpfoten und behielt sie aufmerksam im Auge. Benimm dich, der Rote hält bestimmt nichts von einem Jagdspiel und reagiert garantiert humorfrei, dachte Hannah.
Katja Wohle goß drei Gläser Wasser ein. Falls sie neugierig oder erstaunt war, dass gleich zwei Beamte bei ihr aufkreuzten, ließ sie sich kaum etwas anmerken. Sie trank einen Schluck und wandte sich, Hannah ignorierend, an Kommissar Decker. »Sie sprachen am Telefon von einer allgemeinen Überprüfung, bei der sich einige Fragen ergeben hätten. Was darf ich mir darunter vorstellen?«, ergriff sie die Initiative.
Decker lächelte irritiert. »Ich würde gerne mit einer Gegenfrage antworten, wenn Sie …«
»Das ist keine gute Idee.«
Decker hielt inne. »Nun gut. Biltners Kongressfirma hat im Zusammenhang mit einer Ermittlung unsere Aufmerksamkeit erregt – Einzelheiten dazu kann ich Ihnen nicht sagen. Mich und meine Kollegin würde interessieren, wie es zu der auffälligen Personalfluktuation kam, seit Biltner im Geschäft ist.«
»Er hat seine Vorstellungen durchgesetzt«, entgegnete Wohle ohne Umschweife.
»Die da wären?«, ergriff Hannah spontan das Wort. Sie warverblüfft, dass Decker derart kleinlaut auf die forsche junge Frau reagierte.
Katja Wohle wandte ihr langsam das Gesicht zu. »Sascha hat die Firma umstrukturiert. Manche Posten wurden neu geschaffen, andere fielen weg. Was genau interessiert die Polizei in diesem Zusammenhang?«
Sie redet nicht, solange sie nicht weiß, worum es geht, dachte Hannah, und wir können nicht deutlicher werden, solange wir nicht wissen, auf welcher Seite sie steht. Immerhin nennt sie ihn beim Vornamen. »Wir recherchieren zurzeit ausgesprochen behutsam, auf sehr leisen Sohlen, wenn ich das mal so sagen darf«, erläuterte Hannah und hielt ihren Blick fest. »Wir vermuten Vorkommnisse, die weitere polizeiliche Maßnahmen erforderlich machen, doch ohne Hinweise tappen wir im Dunkeln. Es wäre schön, etwas Licht in die Geschäfte von Herrn Biltner zu bringen. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen, wofür Sie hoffentlich Verständnis aufbringen.« Sie lächelte. »Warum sind Sie ausgestiegen, Frau Wohle?«
»Interessante Formulierung.«
Interessante Bewertung, dachte Hannah.
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