Herztod: Thriller (German Edition)
durchaus in der Lage, spontan zu agieren, auf plötzliche Veränderungen und Herausforderungen einzugehen, aber er hasste es, wenn er nicht wusste, aus welcher Ecke der Wind wehte. Und für seinen Geschmack ging ein bisschen viel schief in letzter Zeit, oder anders ausgedrückt: Manche Dinge entzogen sich auf erstaunliche Weise seiner Kontrolle. Das passierte nicht einmal in seinen Träumen, nein, dort nie. Saschamochte keine Überraschungen, schon gar nicht in der Mehrzahl. Sein System funktionierte, weil es perfekt organisiert und jedes noch so kleine Detail mit professioneller Sorgfalt bedacht war, so dass er auf jede Abweichung reagieren konnte.
Caroline hatte hervorragend recherchiert und den in fachlicher Hinsicht idealen Kandidaten ausgesucht, nachdem die Geschäfte mit zwei anderen Ärzten weniger gut gelaufen waren als erwartet – der eine war nicht halb so gut, wie er behauptet oder tatsächlich von sich angenommen hatte, der andere war zu gierig, zu aufmüpfig geworden und musste später sogar einen tödlichen Unfall erleiden, um das Risiko einer Gefährdung der Organisation auszuschließen. Die Kontaktaufnahme zu Schade war perfekt gelaufen. Er hatte sich von Caroline einwickeln lassen und nicht das Geringste geahnt, während sie ihm eine ebenso heiße wie unkomplizierte Affäre vorspielte und zugleich sein Umfeld ausleuchtete, um die richtigen Hebel zu finden, die ihm die Kooperation erleichtern dürften, sofern er sich zieren würde. Dass er sich tatsächlich derart sträuben würde, hatte allerdings niemand angenommen, auch Caroline nicht, und sie hatte Fehler gemacht. Der größte war, dass sie sich und ihren Einfluss auf den Arzt überschätzt hatte; fast ebenso schwer hatte der Umstand gewogen, dass sie die Macht, die sie Männern gegenüber gerne ausspielte, missbraucht hatte, obendrein zu einem völlig ungeeigneten Zeitpunkt. Das war ganz fürchterlich schiefgegangen – für sie. Sascha hatte es verstanden, die Situation blitzschnell aufzugreifen und das Beste daraus zu machen.
Immerhin ging es dem Kind gut, es hatte die OP überstanden und wurde von Tag zu Tag kräftiger, wie man ihm berichtete. Schade war ein hochbegabter Spezialist, der seine Fähigkeiten in vollem Umfang ausgeschöpft hatte – nur so hatte das Kind eine Chance gehabt. Die Eltern würden ein Leben lang dankbar sein. Geld hatte nicht die geringste Rolle gespielt. Ethische Überlegungen auch nicht. Wenn dein Kind zu sterben droht, tust du alles, um sein Leben zu retten, andere Lebenoder die Herkunft von Spenderorganen spielen keine Rolle, dachte Sascha. Warum? Weil niemand sein Kind loslassen kann. So sind Menschen nun mal.
Bis vor wenigen Stunden war er davon überzeugt gewesen, dass Oliver Schade nunmehr ohne großartige Komplikationen zu weiteren OPs bereit sein würde. Die mögliche Bedrohung seiner Familie hatte ihn klein und schwach gemacht und seinen Widerstand gebrochen. Nun dachte Sascha zum ersten Mal darüber nach, ob er den Mann und die Umstände falsch eingeschätzt und somit einen ähnlichen Fehler wie Caro gemacht haben könnte. Es war in jedem Fall ratsam, auf der Hut zu sein. Aber das war er eigentlich immer.
19
Hannah hatte Kotti einen langen Rundgang versprochen und war erst ins Präsidium zurückgekehrt, als Folk und Biltner unabhängig voneinander abgeholt worden waren. Beide hatten überrascht reagiert, wie Kuse Hannah berichtete, wobei Folk empört gewesen war und Biltner zunächst seine Verärgerung zum Ausdruck brachte, danach spielte er relativ schnell wieder den Gelassenen.
»Wollten sie ihre Anwälte sprechen?«, fragte Hannah nach, während sie dem Hund eine Schale Wasser und zwei Würstchen aus der Cafeteria spendierte.
»Nö. Sie haben beide im Moment Zeugenstatus. Telefonate haben wir verhindert«, erklärte Gerd Kuse und goss sich einen Kaffee ein. »Wie wollen Sie vorgehen?«
»Das muss Ihr Chef entscheiden.«
»Der wartet bereits vor den Vernehmungsräumen.«
Hannah versorgte sich ebenfalls mit Kaffee und ging mit Kuse den langen Gang hinunter. Schaubert war nervös. Er nickte ihr zu, als sie den Vorraum betraten. »Ich habe die OK-Leuteinformiert. Unter Umständen müssen wir schnell handeln.«
»Egal, wie diese Befragung ausgeht und ob sie zehn Minuten dauert oder fünf Stunden – wir dürfen den Mann nicht mehr aus den Augen lassen«, erklärte Hannah.
»Ist mir klar.«
»Was sagt der Staatsanwalt?«
»Er riecht ein großes Ding und hat sich relativ schnell darauf
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