Herzüberkopf (German Edition)
wäre Louis ohne Wenn und Aber in die Garage gerannt und sofort nach Windenreute losgefahren. Es war für ihn eine desaströse Situation.
„Hat´s geklappt?“, fragte sein Kunde, als Louis noch in Gedanken Kamm und Schere wieder in der Hand hielt.
„Wie? – Ach, nein … das Fax-Gerät streikt wieder einmal“, antwortete Louis nur mit Mühe und brachte ein bedrücktes Lächeln zustande.
„So ist es mit den dummen elektronischen Geräten“, sagte der Mann,
„wenn man sie wirklich braucht, streiken sie. Alles Mist, was da auf dem Elektro-Markt produziert wird …“, fuhr er aufgeregt fort, während Louis ihm die Haare zu Ende schnitt und mit seinen Gedanken bei Lea war.
Als Louis zur Mittagszeit den Salon abschloss und in seine Wohnung eilte, wählte er eher vor Aufregung, als von den zwei Treppen, die er heraufgehetzt kam, die Nummer von Lea. Dort klingelte es jetzt mitten in der Wohnung und Louis wusste nicht, wer sich nun melden würde, was seinen Puls bis zum Anschlag brachte. Während es klingelte, sah Louis auf das Fax von Lea und plötzlich wurde es ihm bewusst, dass sie geschrieben hatte, sie würden erst am Abend miteinander telefonieren. Unverzüglich drückte er die Stopp-Taste am Apparat. Zum Glück hatte niemand abgenommen. Er setzte sich in die Couch; aufrecht, ohne sich anzulehnen und sinnierte über die Turbulenzen dieses erst zur Hälfte vergangenen Tages nach. Louis musste über sich selbst lächeln, wenn er wie jetzt, mit einem gewissen Abstand seine Situation überblickte. Lea brachte sein ganzes Leben durcheinander – beziehungsweise war er es gewissermaßen selbst, der seine Sinne nicht im Zaun halten konnte. Wo er sonst so gut strukturiert war, schlichen sich plötzlich Dinge ein, die ihm öfters ein amüsiertes Kopfschütteln abverlangten. So hatte er zum Beispiel am Mittwochmorgen, bereits noch vor dem Frühstück, im Büro die Überweisungen und Einzahlungen für Geschäftsvorgänge mitsamt dem Geld gerichtet, um gleich nach dem Frühstück zur Bank zu gehen. Nach dem Frühstück fand er nun die kleine schwarze Tasche mit dem Geld und den Unterlagen nicht mehr. Er stellte alles auf den Kopf, durchsuchte das Büro, die halbe Wohnung, marschierte in die Garage und sah im Wagen nach, obgleich er genau wusste, dass er dort an jenem Vormittag überhaupt nicht gewesen war und blieb natürlich erfolglos mit seiner Suche. Louis gab auf und setzte sich ratlos an den Küchentisch. Der ganze Mittwoch kam durcheinander und ab 9.30 Uhr sollte er im Geschäft sein. Louis erhob sich und begann den leeren Teller abzuräumen und als er die Butter in den Kühlschrank zurückstellte, entdeckte er im Kühlschrank die gesuchte Tasche. Ebenso beim Bügeln: es war ihm erst viel später aufgefallen, dass er, tief in Gedanken, die unausweichlich mit Lea in Verbindung standen, so abgelenkt gewesen war, dass er nicht nur die Hemden, sondern auch die Socken mitgebügelt hatte, wo er Socken bisher nie bügelte. Nun, alles veranlasste ihn zuletzt zum Lachen und im Spiegel sagte er sich manchmal anblickend:
„Du bist völlig verrückt, Louis“. Und das Spiegelbild antwortete:
„Ja, durchaus: verrückt nach Lea!“
Als Louis für das Nachmittagsgeschäft wieder in den Salon ging, faltete er behutsam das Fax und steckte es in die Hosentasche. Er wollte Leas Zeilen bei sich haben … weil es sich einfach nur gut anfühlte. Als die Geschäftsuhr 18.30 Uhr anzeigte und Louis den Tag abrechnete, klingelte das Telefon neben ihm. Sein Herzschlag schoss von normal auf zweihundert, obgleich er nicht wusste, ob Lea am anderen Ende sein würde oder nicht. Doch es war eine Kundin, die den späten Versuch noch wagte, einen Termin für den Samstag auszumachen. Sie fragte, ob sie ihn erschreckt habe, denn sie hatte bemerkt, dass Louis nervös war. Nach dem Gespräch verließ er das Geschäft und ging ins Atelier, das unter seiner Wohnung lag. Er arbeitete derzeit an einem Gemälde, bei welchem er in den letzten Tagen nicht mehr gearbeitet hatte. Der Grund war klar! Nun versuchte er daran weiterzumalen. Diese Arbeit bekam Louis gut und er wurde ruhig; abgelenkt wie er war, vergaß er die Zeit und erst als das Telefon klingelte, erwachte wieder der Sturm in ihm. In der einen Hand den Pinsel mit Farbe und in der anderen den Telefonapparat, meldete er sich:
„Hallo?“, brachte er weich, aber knapp heraus, weil er bereits lauschte; weil er keinen anderen Anruf um diese Zeit erwartete und sich auf Leas Stimme
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