Herzüberkopf (German Edition)
Gedanken mit einem Kopfschütteln über sich selbst, stieg auf sein Rad und fuhr weiter. Die Abfahrt von gut einer viertel Stunde machte ihm jedes Mal großen Spaß. Zwar dachte er wohl daran, dass er nach dem Schwimmen im See die ganze Strecke wieder zurück radeln musste, doch der Gedanke flog genauso schnell wieder davon, wie die Waldlandschaft, durch die er zum See hinunter raste. Unzählige Male hatte er diese Strecke schon zurückgelegt. Früher, aus Bernau kommend; ein Weg, der ebenfalls am Pass bei der Hütte mündet und nun aus dem Tal von St. Blasien. Als er den See erreicht hatte, zog er sich um und ging schwimmen. Es war für ihn etwas Wunderbares: geradewegs vom konzentrierten Radfahren, hinein in das berauschende Nass des Sees. Auf dem gegenüberliegenden Seeufer erkannte er aus der Ferne das kleine Häuschen und wusste indessen, welches Zimmerfenster davon Leas Zimmer war. Während er kraftvoll das Wasser teilte und mit den Händen von sich weg schob und sein Körper dadurch an Fahrt auf den See hinaus gewann, war er mit seinen Gedanken bei ihr.
„Hoffentlich geht es ihr gesundheitlich wieder gut“, dachte er und:
„ich wünsche ihr, dass sie das Problem mit der Unterkunft und ihrem Ex-Freund zu ihrem Vorteil lösen konnte“. Und später kamen die Gedanken wie ein Blitz: „Vielleicht fliege ich doch hin und suche sie – so groß kann die Insel ja nicht sein, dass eine Reisegruppe aus Emmendingen mit samt den Bussen nicht gefunden werden kann. Wenn ich die Busse mit dem Kennzeichen von Emmendingen finde, ist Lea nicht weit“, kombinierte er und schwamm weiter. „Ein paar Tage Urlaub könnte ich ebenfalls gebrauchen und sie vielleicht ein paar Mal kurz besuchen. Schließlich war ich dieses Jahr noch gar nicht weg, außer geschäftlich in Spanien. Aber das war kein Urlaub. Obgleich Louis noch ständig ein Für und Wider mit sich ausfocht, hätte er wissen können, dass es im Grunde längst beschlossene Sache war. Er kannte sich in diesen Situationen wie vielleicht einige Menschen sich auch kennen; und ziemlich genau wissen, dass es so kommen wird, doch man braucht noch einen absoluten plausiblen und haltbaren Grund für eine derart abenteuerliche Entscheidung. Als er aus dem Wasser stieg, setzte er sich auf die mitgebrachte Decke in die Sonne und sah auf das Glitzern des Wassers hinaus. Unversehens war er viel zu weit hinausgeschwommen und hatte es in seinen Gedanken nicht gemerkt. So hatte er ein Gefühl, als säße er bereits am Strand von Korfu, ohne überhaupt zu wissen, wie es dort aussah. Doch eines war sicher: Mit diesem Gedanken musste Louis zuerst übernachten. Erst danach, würde er auf solche Eingebungen handeln. Als er zu Hause anlangte, war es 20.00 Uhr durch. Morris bastelte in der Garage an seinem Moped herum; einem gepflegten und gut erhaltenen Oldtimer aus Louis‘ Zeit. In Kürze wollte Morris die dazu erforderliche Fahrerlaubnis machen und brachte das Fahrzeug in letzter Zeit immer wieder einmal aus der Garage; ließ den Motor an und drehte auch einige Runden hinterm Haus, wo ein kaum befahrener Waldweg begann. Louis saß bis zum Einbruch der Dunkelheit mit Morris zusammen bei dem Fahrzeug und während der Wartung unterhielten sie sich angeregt über alle möglichen Themen aus Morris‘ Welt.
Am Dienstag, noch bevor Louis ins Geschäft ging, rief er in dem Reisebüro an, von wo er sämtliche seiner Reisen buchen ließ und fragte nach einem kurzfristigen Flug zur Insel Korfu für eine Woche. Wenn möglich, ein kleines Hotel mit Frühstück, da er mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit meistens unterwegs sein würde. Die stets nette Beraterin, Frau Bürgel, erkannte Louis sofort; fand es diesmal in der Tat eine sehr kurzfristige Nachfrage; erbat sich etwas Zeit, um eine Disposition herauszusuchen und gab das Versprechen, sich noch am selben Tag zu melden. Drei Stunden später kam ein Fax mit einem einzigen Angebot, dem Wunsch Louis‘ entsprechend, mit der Bitte, schnellstmöglich zu reagieren, da zwar Hotels genügend Möglichkeiten boten, jedoch keine Flüge mehr zur Verfügung stehen würden. Am frühen Samstagabend war der Flug ab Basel angekündigt – das bedeutete, dass Louis am Flugtag noch ganz regulär arbeiten konnte und somit brauchte er etwaige Buchungen im Salon nicht umdisponieren. Das traf sich bestens – sogleich besprach er die Angelegenheit seiner Abwesenheit für die kommende Woche mit der Mutter von Morris und Kira, mit der er das Geschäft seit
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