Herzüberkopf (German Edition)
jedoch den Campingplatz nur vage. Louis sah sie nur an und sagte nichts – während sie es ihm für ein paar Sekunden gleichtat. Dann bat sie um Geduld und lies ihn kurz stehen. Als sie zurückkam, hatte sie einen langen dünnen Schlauch dabei, welchen sie Louis in die Hand drückte. Dann deutete sie auf die Motorräder und winkte ab, mit der Erklärung, dass ein großer Roller für Louis‘ Vorhaben sicherlich bequemer sei, da die Westküste sehr kurvenreich wäre und er mit einem Roller leichteres Spiel habe. Louis wäre in der Tat bereit gewesen, mit einem Kamel dorthin zu reiten, wenn dieses ortskundig gewesen wäre und es tatsächlich eins gegeben hätte. Das sagte er und sah sie das erste Mal herzlich lachen. Louis benutzte zum Erstaunen der Frau, den altbewährten Sauge-Trick mit dem Schlauch, den sie offensichtlich nicht kannte, um von jedem der von ihr geöffneten Tanks der Fahrzeuge so viel Sprit abzuzapfen, dass Louis schon bald den Tank seines Rollers zur Hälfte gefüllt hatte. Diese Taktik hatte Louis in seiner Jugend oft benutzt, wenn er hin und wieder unbemerkt, vom Tank der väterlichen Mähmaschine genügend Treibstoff für sein Moped abzapfte, damit er wieder ein paar Runden drehen konnte. Sie meinte noch verschmitzt, ob diese Taktik des Tankens in Deutschland üblich sei; worauf Louis antwortete, dass dies nur innerhalb der Familie und nur bei großer Not zu empfehlen wäre. Später, als er darüber nachdachte, fragte er sich allerdings, wie all die Mietstationen für Fahrzeuge dies bewerkstelligten, dass die bereitgestellten Fahrzeuge tatsächlich immer nur ein paar Tröpfchen Sprit im Tank hatten, obgleich doch jeder Mieter meistens sein Fahrzeug mit noch mindestens zur Hälfte gefülltem Tank wieder zurück gab. Hatte sie jetzt nur gelacht, weil Louis den Trick auch kannte? – Sicher nicht, weil sie das zum ersten Mal gesehen hatte – schon gar nicht in Anbetracht dessen, dass sie auch rasch den absolut geeigneten Schlauch aufgetrieben hatte.
Der Handel war perfekt und Louis startete den Roller; nickte seiner inzwischen lächelnden Helferin zu und fuhr in der von ihr zuvor beschriebenen Richtung davon.
Oh, wie gut dieser warme Fahrtwind tat. Jetzt erst wagte Louis einige Blicke in diese wunderbare Natur dieser Insel zu werfen. Die Sonne stand noch ein gutes Stück vom Horizont entfernt und Louis war zuversichtlich, den größten Teil der Fahrt noch vor Einbruch der Dunkelheit zu schaffen. Noch befand er sich auf einer stark befahrenen Straße, ließ aber mehr und mehr die Hauptstadt Kerkira hinter sich und fuhr in Richtung Alepou. Nebenbei bemerkte er, dass tatsächlich sämtliche Tankstellen, an denen er vorbei kam, geschlossen hatten. Er konnte es kaum glauben und dachte daran, dass in Deutschland indes in den Städten vergleichbarer Größe, die Tankstellen nicht selten bis Mitternacht offen hatten oder mindestens auf Kreditkarten-Service umschalten konnten. Aber hier war es eben eine Insel und da war alles anders. Unweigerlich musste er grinsen, als er über seinen Husarenstreich nachdachte, wie er es geschafft hatte, zuletzt doch noch den Roller zu ergattern. Irgendwie schien diese Verkäuferin der Station zuletzt sogar noch stolz darauf gewesen zu sein, ihm geholfen zu haben, so wie sie ihm nachgewinkt hatte. Jetzt galt es so rasch als möglich zur Westküste zu gelangen. Die Verkäuferin hatte erwähnt, dass der Ort Vatos erst zuletzt und nur in griechischer Schrift angeschrieben stehen würde. Louis sollte sich, wenn möglich, immer Richtung Ermones halten. Die Sonne stand vor ihm am Himmel und blendete ihn stark, sodass es schwierig war, die Straßenseite einzuhalten, geschweige denn ein Hinweisschild zu erkennen. Einmal hielt er vor einem großen Schild an, um zu lesen. Weil er abrupt reagiert hatte, erntete er von einem nachfolgenden Fahrzeug unvermittelt ein Hupkonzert.
„Warte nur“, sagte Louis dem davonfahrenden Autofahrer humorvoll hintendrein, der natürlich nichts hörte,
„wenn du mal in meiner Heimat unterwegs sein wirst, hupe ich dir“. Louis‘ Heiterkeit war in diesem Augenblick unerschütterlich. Allein der Gedanke, dass ihn nur einige Kilometer von Lea trennten; beinahe so wie wenn er von St. Blasien zum See fahren würde, ließen in ihm eine vorfreudige Stimmung aufkommen. Allmählich ließ der Verkehr auf der Straße nach. Selbst in Alepou, einer dichter besiedelten Stadt, herrschte Stille; kein Mensch war zu sehen. Louis erinnerte sich an
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