Hesse-ABC
von Idee
zu dienen. Der tritt am Ende immer als ein unfrei machender -
ismus auf.
Narziß und Goldmund
Gleichsam der Januskopf zum »Steppenwolf«. Als dieser 1927
erschien, arbeitete Hesse bereits an einem Kontrastbuch, wie es
stärker kaum vorstellbar, das in der mittelalterlichen Klosterwelt
angesiedelt ist und 1930 herauskommt. Es gilt als das »durch-
sonnteste« seiner Bücher, manche nennen es auch ein Stück Ma-
nierismus und lächeln über die vermutete »Altherrenerotik«. Von
den Verkaufszahlen her jedoch wird es das erfolgreichste Buch zu
Lebzeiten Hesses; in kurzer Zeit erreicht es eine Auflagenhöhe von
50000 Stück. Aber wie schon der »Steppenwolf« verlangt auch
»Narziß und Goldmund«, daß man sich ganz auf seine Eigentüm-
lichkeiten einzulassen bereit ist. Nur so entfaltet es seinen – den-
noch – vorhandenen gedanklichen wie sprachlichen Reichtum. Die
Vorbehalte gegenüber »Narziß und Goldmund« kann Hesse sehr
gut verstehen. Ihm liegt der »Steppenwolf« auch näher. Aber: »...
beim Goldmund kann der gute deutsche Leser Pfeife rauchen und
ans Mittelalter denken, und das Leben so schön und so wehmütig
finden, und braucht nicht an sich und sein Leben, seine Geschäfte,
seine Kriege, seine ›Kultur‹ und dergl. zu denken. So hat er wieder
einmal ein Buch nach seinem Herzen gefunden. Nun, es ist ja ei-
nerlei, es kommt ja doch bloß auf die paar wenigen an ...«
»Narziß und Goldmund« ist die »Geschichte einer Freundschaft«.
Hesse umreißt das Thema im nicht veröffentlichten Vorwort:
»Wenn zwei Menschengestalten, zwei Urprinzipien, zwei ewige
Gegenwelten einander verkörpernd begegnen, dann ist ihr Schick-
sal unentrinnbar: sie müssen einander anziehen, müssen einer
vom anderen bezaubert werden, müssen einander erobern, einan-
der erkennen, einander zum höchsten steigern oder einander ver-
nichten. So geschieht es jedesmal, wenn Männliches und
Weibliches, wenn Gewissen und Unschuld, wenn Geist und Natur
einander in reinen Verkörperungen kennenlernen und in die Au-
gen sehen. Und so geschah es auch mit Narziß und Goldmund;
dies ist es, was ihre Geschichte seltsam und bedeutsam macht.«
Ausgangspunkt des Geschehens ist das Kloster Mariabrunn (un-
schwer darin Maulbronn zu erkennen). Hier stehen sich Narziß,
der strenge Ordnungs-Denker, und Goldmund, der ausschweifend
Liebende und in keine feste Ordnung zu bringende Chaot (Künst-
lernatur!), gegenüber. Wie der eine in der dünnen Luft der Gedan-
ken zu ersticken droht, so droht der andere im Meer der Sinne
unterzugehen. Aber letztlich verbindet auch diesen Gegensatz
wieder eine höhere Einheit. Verstand und Sinne gehören zusam-
men, so die Botschaft, sie sind nur verschiedene Seiten einer le-
bendigen Sache. Der Konflikt ist allerdings höchst simpel
konstruiert, hier verstört nichts wie beim »Steppenwolf«, sondern
es wirkt alles höchst erbaulich. Mit einem etwas mulmigen Gefühl
im Bauch muß sich auch Hesse gefragt haben, was er da eigent-
lich fabriziert hat. In einem Brief aus dem Jahre 1930 heißt es:
»Gestern las ich in der alten ›Deutschen Rundschau‹ die erste
wirklich ablehnende Kritik über Goldmund, was mir beinahe ein
Trost war, denn die Einmütigkeit und dumm schablonierte Gleich-
artigkeit, mit der die Presse bisher den Goldmund lobte, schmeck-
te mir ein wenig danach, als sei man froh, den Hesse jetzt als
einen alten, ungefährlich gewordenen Mann noch einmal vor dem
Nekrolog rühmen zu können.« Interessant sind die Titelideen, die
Hesse außer »Narziß und Goldmund« noch hatte. »Narziß oder
der Weg zur Mutter« stand an erster Stelle, auch »Das Lob der
Sünde« konnte er sich vorstellen. Die Glorifizierung der Mutter,
sie kommt aus Hesses schon lang vorhandener Hochschätzung
von Bachofens Mutterrechtslehre, verstärkt durch seine Erfahrun-
gen mit der Psychoanalyse. So mündet »Narziß und Goldmund«
geradezu in eine Apotheose der Mutter. Goldmund, der sterbende
Vagabund, spricht zu Narziß seine letzten Worte – und zeigt sich
so für Hesse doch als der vollkommenere Mensch: »Aber wie
willst du einmal sterben, Narziß, wenn du doch keine Mutter hast?
Ohne Mutter kann man nicht lieben. Ohne Mutter kann man nicht
sterben.«
Nationalismus
Hermann Hesse schreibt im »Rigi-Tagebuch« an die Deutschen:
»Und jetzt könnt ihr, mitten im Elend, wieder etwas haben und
erleben, ein neues Stück Entfaltung und Menschwerdung,
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