Heurigenpassion
Ihre Stimmung war simpel zu beschreiben, sie hatte schlicht und einfach Angst um das Kind und übertrug ihr Gefühl ungewollt auch auf die Anderen.
Plötzlich winkte ein neben dem Eingang sitzender Einheimischer ganz aufgeregt ins Gastzimmer hinaus und rief »Koarl, Koarl, Dein Typ ist gefragt .« »Koarl« erwies sich als Karl Bergmann, Postbote und nach weniger als einer Minute auch als Retter in höchster Not.
»Ja, die junge Frau wohnt do draußn in der alten Werkssiedlung Richtung Göblasbruck«, wusste der wahre Postfuchs sozusagen aus dem Stand. Franca sprang auf, umarmte ihn und drückte dem Überraschten ein Bussi auf jede Wange.
Zwanzig Minuten später war alles gelaufen. Die alte Oma weinte vor Erleichterung, dass endlich jemand gekommen war und Franca wiegte den etwas geschwächten, aber durchaus wohlauf wirkenden kleinen Anton in ihren Armen.
Eine halbe Stunde später wurden die beiden der Obhut des Krankenhauses in Lilienfeld übergeben. Zwei weitere Stunden später war auch der Dolmetscher aus St.Pölten eingetroffen und der Befragung der nur griechisch sprechenden Großmutter durch Wallner und die hiesige Gendarmerie stand nichts mehr im Wege. Zu diesem Zeitpunkt war Palinski aber schon fast wieder in Wien.
* * *
Ein herrliches Gefühl, endlich ist das Baby wieder aufgetaucht und diese irrsinnige Suche hat ein Ende. Das ist ja gerade noch einmal gut ausgegangen. Aber der Zustand der Omama war ja auch nicht berauschend. Für die war es schon an der Zeit, dass sich jemand um sie kümmert.
Jetzt steht einem erholsamen Sonntagnachmittag hoffentlich nicht mehr im Wege. Am liebsten möchte ich mich aufs Ohr hauen und einige Stunden schlafen. Seit die Spannung weg ist, fühle ich mich hundsmüde.
Vielleicht sollten wir einige Tage wegfahren. Gleich morgen bis zum Wochenende. Allerdings ist da ja noch der Fall »Elena« zu klären. Aber das schafft Helmut sicher alleine. Ab morgen ist auch Martin Sandegger wieder im Dienst. Andererseits juckt es mich schon, dieses miese Schwein zu finden oder zumindest daran mitzuwirken.
Was ist eigentlich mit ›Miki‹ Schneckenburger los? Gut, er ist mit der Familie in Südfrankreich. Aber auch dort gibt es Handymaste und guten Empfang. Vielleicht hätte ich ihn zu Silvester anrufen sollen. Wann wollte er wieder zurück sein? Also wir werden uns einfach zusammensetzen und Neujahr nachfeiern.
Eigentlich war die Babysuche ein riesiger Erfolg. Abgesehen von dem kleinen Anton sind an die zwanzig kleine Kinder gefunden worden, die mehr oder weniger in Not waren. Neun Anzeigen wegen vernachlässigter Aufsichtspflicht und zusätzlich zwei wegen Verdachts der Kindesmisshandlung sprachen eine deutliche Sprache. Eigentlich sollte man jeden Monat eine derartige Suche durchführen. Ohne Vorankündigung.
Was ist das? Ein Stau, hoffentlich nichts Gröberes. Langsam abbremsen, die Fahrbahn ist ziemlich glatt und meine Reifen lieben nur den Sommer. Die Polizei da vorne und der Rettungswagen sind kein gutes Zeichen. Da muss etwas Schlimmeres passiert sein. Gott sei Dank ist der Verkehr heute nicht so stark wie während der Woche.
Wenn ich schon nicht weiterfahren kann, kann ich gleich ein paar Telefonate erledigen. Für Leute ohne Freisprechanlage ist ein Stau die perfekte Gelegenheit zu kommunizieren.
Wo ist denn bloß mein Handy? Habe ich das möglicherweise heute Morgen nicht aus dem Büro geholt? Habe ich nicht. Also dann genießen wir einfach den tief verschneiten Wienerwald und hoffen, dass es bald weitergeht.
* * *
Die fünfzehn Minuten Autogenes Training hatten zwar keine Wunder bewirkt, der Anwältin aber klar gemacht, dass sie mit jemandem ihres Vertrauens über das Problem sprechen musste. Mit jemandem, der ihr Problem verstand und nicht sofort selbst die Polizei rief. Ihr war klar, dass die Zeit drängte, denn spätestens morgen musste sie Marinov über das Schreiben informieren. Die Zeit bis dahin wollte sie aber nutzen.
In Gedanken ging sie ihren Bekanntenkreis auf möglicherweise geeignete Gesprächspartner durch. Die erste Sichtungsrunde verlief erfolglos. Sie ging weiter in ihre Vergangenheit zurück und vergrößerte damit das vorhandene Potential nicht unwesentlich. Aber noch immer drängte sich niemand so richtig auf. Da fiel ihr der Michi ein, ein Studienkollege, mit dem sie einige Male ausgegangen und einen harmlosen Flirt gehabt hatte. Das war auch schon wieder fast 18 Jahre her. Sie erinnerte sich dunkel, irgendwo gelesen zu
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