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Heurigenpassion

Heurigenpassion

Titel: Heurigenpassion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Emme
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haben, dass er jetzt ein relativ hohes Tier im Innenministerium war. Wie hieß er bloß mit Nachnamen? Ach ja, Schneckenburger, Michael Schneckenburger. Hoffentlich stand er im Telefonbuch und war zu Hause. Sie hatte zwei Mal Glück und drei Minuten später ihren alten Studienfreund am Apparat.
    »Schneckenburger«, tönte es am anderen Ende der Leitung.
    »Hier spricht Annemarie Sumser, ich weiß nicht, ob du dich noch an mich erinnerst«, fühlte sie vorsichtig vor.
    »Sumsi, bist du’s«, er schien sich richtig zu freuen, ihre Stimme zu hören. »Du hast Glück, wir sind gerade erst aus Lackenhof zurückgekommen. Ein paar Tage auslüften. Wie lange ist es her, dass wir im Atrium die Nächte durchgetanzt haben? Fast zwanzig Jahre, gell ?«
    Kein Mensch hatte sie je zuvor »Sumsi« genannt, er schon gar nicht. Dazu war er viel zu verklemmt gewesen. Aber bitte, wenn es der Sache diente.
    »Ja, ich bins Schnecki«, das hatte sie sich nicht verkneifen können. Im Hintergrund hörte sie ein Kind schreien. »Wie ich höre, bist du sesshaft geworden und hast Familie .«
    »Ja. Mit Moni bin ich seit drei Jahren verheiratet und Lukas ist jetzt bald vier Monate alt. Ich kann dir sagen ...«
    Annemarie Sumser war durchaus an Schneckenburgers Ausführungen interessiert, aber bitte nicht jetzt.
    »Entschuldige Michael, wenn ich dich unterbreche« warf sie ein, »aber ich habe ein riesiges Problem und das brennt mir verdammt unter den Fingernägeln. Sonst hätte ich es nie gewagt, dich nach so langer Zeit ausgerechnet an einem Sonntag zu stören .«
    »Na dann schieß einmal los«, empfahl ihr der Studienkollege.
    Und Annemarie legte so geschickt los, wie es nur Anwälte können. Sie sagte exakt soviel, dass ihr Gesprächspartner das Problem und seine Tragweite erkennen konnte und doch so wenig, dass er jederzeit behaupten konnte, von nichts gewusst zu haben. Und das, ohne wirklich lügen zu müssen.
    »Alles klar«, erklärte der Ministerialrat. »Ich fürchte nur, ich kann dir da nicht helfen, ohne in einen ausgewachsenen Interessenskonflikt zu schlittern. Ich glaube aber, ich kenne den idealen Gesprächspartner für dich. Gib mir deine Telefonnummer, ich werde schauen, dass er sich noch heute mit dir in Verbindung setzt. Du musst uns übrigens unbedingt einmal besuchen .«

     
    * * *

     
    Es war bereits nach 15 Uhr, als Palinski in Wien eintraf. Der Unfall auf der Autobahn hatte mehr als eine Stunde Wartezeit und nach Angaben des Verkehrsfunks einen Stau von fast 9 Kilometern bewirkt. Aber jetzt war er zu Hause, vor seinem »Institut für Krimiliteranalogie« und in Kürze auch bei Wilma und den Kindern.
    Ehe er die drei Stockwerke ohne Lift in Angriff nahm, wollte er aber noch ins Büro. Sein Handy holen, nachsehen, ob sich vielleicht Wallner oder sonst wer gemeldet hatte und vielleicht auch einen wirklich guten Cappuccino trinken. Diese italienische Kaffeemaschine, die er vor einigen Monaten gekauft hatte, war sogar noch besser als der Verkäufer versichert hatte.
    Im Eingangsbereich zur Stiege 3 roch es leicht säuerlich. Typischer Geruch nach Kotze, fand Palinski. Wahrscheinlich hatte einer der mehr feucht als fröhlichen Silvestergäste eines seiner Nachbarn irgendwo eine unverkennbare Markierung hinterlassen. Ob er Frau Pitzal anrufen sollte? Andererseits, wie kam die gute Frau dazu, sich auch am Sonntag um jeden Dreck kümmern zu müssen?
    Jetzt tauchte er tief in die warme, heimelige Atmosphäre seines Büros ein, in dem er bis vor wenigen Monaten auch gewohnt hatte. Bis zu seiner »Verlobung« mit Wilma. Seither logierte er fast ausschließlich in der Wohnung seiner Familie. Und genoss diese ständige Nähe zu der Frau, die er liebte. Andererseits vermisste er gelegentlich diese ruhigen Abende am Computer, den regen Austausch mit seinem Online-Freund Will Scott in den USA, die italienischen Opern, gegen die seine Kinder rebellierten. Und auf die vorwurfsvollen Blicke Wilmas, wenn er sich vielleicht gar noch ein drittes Glas Wein genehmigte, konnte er auch verzichten. Man konnte eben nicht alles haben.
    Tatsächlich, Wallner hatte sogar schon zwei Nachrichten auf Band hinterlassen. Er hätte Palinski am Handy nicht erreichen können. Na wie auch, das lag ja hier im Büro. Es gäbe interessante neue Hinweise im Fall »Elena Kalkonides .« Kalkonides, das war offenbar der Nachname der toten jungen Frau. Wenn es möglich wäre, sollte Palinski ihn um 19 Uhr im Kommissariat treffen. Gut, dachte sich dieser, das sollte

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