Heurigenpassion
Fernsehprogramm studierte sie dagegen etwas aufmerksamer und überlegte sich, zu welchen Sendezeiten von Harry Proteste gegen einen Spaziergang in der tief verschneiten Gegend zu erwarten waren. Auch wenn sich der Einfluss seiner Freundin Beate sogar in dieser Hinsicht positiv bemerkbar zu machen begann.
Plötzlich blieben ihre Augen an einer Ankündigung hängen. Die Folge einer Serie am späten Nachmittag hatte doch tatsächlich den Titel »Palpitis Dilemma .« Wenn sie das nicht an Palinski erinnern sollte, was dann?
Wer weiß, vielleicht würde heute ja auch Mario in irgendwelchen Nachrichten genannt werden. Immerhin war dieser Polizeikongress eine große Sache, über die sicher berichtet werden würde. Sie nahm sich vor, die einschlägigen Sendungen heute besonders aufmerksam zu verfolgen.
Mein Gott, war das ein Theater gewesen vor vier Monaten. Palinski war über Nacht zum »Fernsehstar« geworden, nur weil er versucht hatte, eine Katastrophe zu verhindern. Die sich dann doch ereignet hatte und das vor laufender Kamera. Und vor einigen Millionen Zusehern in Österreich und dem übrigen Europa. Ein Marktforschungsinstitut hatte ermittelt, dass ihr Mann mehr als 80 Prozent der Bevölkerung ein Begriff und von mehr als 60 Prozent sympathisch bis sehr sympathisch gefunden worden war. Worauf ihm ein großer Sender sogar eine eigene Kriminalshow angeboten hatte. Sie hatte sich oft gefragt, was sich verändert hätte, wenn er diesem lukrativen Angebot näher getreten wäre. Wer konnte das schon wissen. Sie war aber sicher, dass er auch dann nicht mehr Zeit für sie und die Kinder gehabt hätte. Aber vielleicht wäre er wenigstens diese Tage bei ihnen im Waldviertel gewesen.
Komisch, wieso hatte sie so ein Gefühl, Palinski heute noch im Fernsehen zu sehen?
* * *
Palinski war schon lange vor 9 Uhr im »Austria Center« erschienen, dem großen Kongresszentrum neben der UNO-City in Wien. Trotz seiner nach außen getragenen Ruhe machten bereits tausende von Schmetterlingen ihre Flugübungen in seinem Bauch. Er war zwar kein schlechter Redner, so einer vom Typ »unbekümmert losquatschen .« Er hatte auch durchaus etwas zu sagen. Nur, es war schon ein Unterschied, vor ein paar Bekannten einige pointierte Gedanken von Stapel zu lassen oder vor einigen hundert der besten Fachleute auf ihrem Gebiet zu sprechen.
Freund ›Miki‹ Schneckenburger, der den Innenminister im Organisationskomitee des »Kongresses Europäischer Kriminalbeamter« vertrat und Palinski in letzter Minute auf die Rednerliste gebracht hatte, war ebenfalls schon anwesend. Auch er schien nicht frei von Nervosität zu sein.
»Wo ist denn dieser Saal 4 ?« , wollte Palinski wissen, um den Ort seines bevorstehenden Waterloos in Augenschein nehmen zu können.
»Wir haben den Saal wechseln müssen«, informierte ihn ›Miki‹. »Saal 4 hat nämlich nur für 200 Personen Platz. Du wirst aber in Saal 1 sprechen. Der ist da vorne«, er deutet die Richtung an.
»Und wie viele Leute haben in Saal 1 Platz ?« , interessierte sich Palinski, der nicht ganz verstand.
Mit »In Saal 1 haben 1500 Leute Platz«, versetzte ihm der Freund einen gehörigen Schock. »Aber seit bekannt ist, dass nicht dieser Langweiler McEllen spricht, sondern du, haben sich kurzfristig noch über 700 Teilnehmer für dein Referat angemeldet. Und wir vermuten, dass unangemeldet nochmals 200 bis 300 dazu kommen werden .« Palinski musste sich setzen. Das war mehr als er je zu befürchten gewagt hätte. »Aber wie kann das sein? Die Leute kennen mich doch gar nicht .«
»Das eben ist ein Irrtum, mein Freund .« Jetzt musste irgendetwas Bedeutendes kommen. Immer, wenn sich Schneckenburger so aufgeplustert hatte wie gerade eben, hatte er gleich danach eine Bombe platzen lassen. »Ich habe vor einigen Monaten einen Artikel über innovative Ansätze in der Polizeiarbeit geschrieben und dabei auch deine Krimiliteranalogie kommentiert. Der Beitrag ist im ›Österreichischen Polizeibeamten‹ erschienen, du erinnerst dich doch noch ?«
Ach ja, ging es Palinski durch den Kopf. Er hatte sich seinerzeit schon gewundert, dass ›Miki‹ das etwas klobige Kunstwort »Krimiliteranalogie«, das er bis dahin nie fehlerfrei aussprechen hatte können, über Nacht flüssiger über die Lippen ging als Palinski selbst. Die Erklärung dafür war eben dieser Artikel gewesen.
»Was ich nicht gewusst und erst gestern erfahren habe«, fuhr der Ministerialrat fort, »ist, dass dieser Artikel in der
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