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Heute bin ich blond

Heute bin ich blond

Titel: Heute bin ich blond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie van der Stap
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die
JAN

    Ihre Freundin drückt mir ein Hochglanzmagazin in die Hand. »Seite 64«, sagt sie.
    Ich schlage die Seite auf. Eine strahlende Chan unter der Überschrift ICH MUSS JETZT LEBEN , MIT GANZER HINGABE . Auch Chan steht mit ihrer Krankheit und ihrer Lebenseinstellung im Scheinwerferlicht.
    Chantal Smithuis (34) ist unheilbar krank. Aller Voraussicht nach wird sie innerhalb der nächsten zwei Jahre an den Folgen von Brustkrebs sterben. In der JAN möchte sie allen Frauen, die es nicht schaffen, eine Stimme geben. Und davon erzählen, wie es ihr zu ihrem eigenen Erstaunen gelingt, glücklicher zu sein als je zuvor.
    Über die Zeitschrift hinweg betrachte ich die kranke Frau in dem Bett, die mit Morphin und Dexamethason – dem großen Bruder von Prednison – in einem benommenen Zustand gehalten wird. Selbst hier ist sie ein Ass. Ich spreche leise, sie antwortet mit einem trägen Murmeln.
    »Genau davor hatte ich Angst. Dass ich hier auf Station muss.« Chantal ist schon seit einiger Zeit im AVL in Behandlung, aber seit ihrem Wechsel von Purmerend – das übrigens nicht zu empfehlen ist, wenn es ernst wird – hierher ist sie nie mehr stationär aufgenommen worden. »Der Anfang vom Ende«, sagt sie leise.
    Ich schweige. Ihre Freundin steht auf, sie muss kurz mit den Hunden an die frische Luft. Chan hat zwei gelbe Labradors, die bei ihrem Ex leben. Im Zimmer riecht es nach der Hühnerbrühe in dem Plastikbecher neben Chantals Bett. Sie bekommt die Suppe nicht hinunter. Kotzen am laufenden Band, in die gleichen Pappschalen wie im OLVG . Galle, von dem Hubschrauber, der schon drei Tage in ihrem Kopf seine Runden dreht.
    Als der Vorhang zurückgezogen wird, schauen wir alle drei auf. Chan, ihr Ex und ich. Ein sorgenvolles, altes, faltiges Gesicht erscheint. Es ist der Neurologe. Hinter ihm eine Schwester. Der Neurologe gibt uns der Reihe nach die Hand. Dann wandert seine Hand zu Chantals Schulter und bleibt dort liegen.
    »Es sieht nicht gut aus in deinem Kopf. Da sind Metastasen drin.« Ärzte reden nicht um den heißen Brei herum. Ich schlucke und sehe Chan an, die Tapferste von uns allen.
    Sie ist wütend. »Vierunddreißig«, sagt sie und streckt den Mittelfinger hoch. »Vierunddreißig.«
    Zum ersten Mal sehe ich sie weinen.
    »Wir müssen dich sofort bestrahlen.«
    »Und dann? Geht das davon weg?«
    »Ja, die Chance, dass es davon weggeht, ist sehr groß.«
    »Werde ich dann kahl?«
    »Ja.«
    »Wie viele Metastasen sind es denn?«, fragt ihr Ex.
    »Im ganzen Kopf sind welche.«
    »Ach, Scheiße, das ist jetzt das dritte Mal. Das geht so schnell! Gerade fühlt man sich nach ein paar Monaten ohne Chemo wieder gut, und PENG , hat man’s im Kopf.« Sie sieht mich an. »Gut für dein Buch.«
    Gott sei Dank, ihren Humor hat sie noch nicht verloren. Ich muss an Simon aus dem Film von Eddy Terstall denken, der nach einem Gespräch mit seinem Arzt die Frage stellt, ob nicht irgendwo ein Chirurg mit mehr Sinn für Tumor herumläuft.
    Ich gebe Chan einen Kuss und gehe hinaus. Die Straßenbahn kommt in Sicht, und ich laufe los, so schnell ich kann.

[home]
    Dienstag, 16. Mai 2006
    Ende der Geschichte? Oder meiner Geschichte? Rob geht neben mir durch die Eingangshalle des OLVG . Ich finde es schön, dass er wieder da ist. Aber jetzt will ich Jur, weil der mir als Einziger die Angst nehmen kann. Wir setzen uns auf die Stühle, die vor der Anmeldung der Ambulanz im Kreis stehen. Ich folge den Zeigern der Uhr, betrachte die grauen Gesichter der Menschen um mich herum, schaukle ein bisschen mit den Beinen und sehe Rob an. Er kneift mich in die Schulter und gibt mir einen Kuss. Nach ungefähr einer Minute kommt Doktor L. Er lächelt.
    Ich seufze erleichtert auf. »Okay, es sieht gut aus, das seh ich schon an seinem Lächeln. Wir können wieder gehen.«
    Rob lacht.
    »Frau van der Stap.«
    Außerhalb seines Zimmers bin ich immer noch Frau van der Stap.
    Ich stehe auf, gebe Doktor L. die Hand und versuche, sein Lächeln festzuhalten. Es gelingt.
    »Also, es sieht alles gut aus. Eine kleine Veränderung wieder, aber das kommt aller Wahrscheinlichkeit nach von der Bestrahlung. Wie fühlst du dich?«
    »Super. Bist du Ende August da? Da ist meine Buchpräsentation.«
    Doktor L. lacht wie ein kleiner Junge. »Ich würde es nie wagen, dann nicht da zu sein.«
     
    »Wie war eigentlich deine CT ?«
    »Gut«, sage ich leise. Neben einem Kopf voller Tumoren wage ich mein Hochgefühl nicht rauszulassen.
    »Ach, Gott sei Dank,

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