Heute schon geträumt
sie völlig durcheinander. Plötzlich muss ich wieder an den Abend im Club denken, als sie mir in der Schlange vor der Toilette erzählt hat, wie verliebt sie in Julian sei. Und ich kann mich nur fragen, wie sie, all die Jahre später, so unglücklich und voller Sorge darüber sein kann, dass er eine Affäre hat.
»Wieso fragst du ihn nicht einfach?«, schlage ich vor.
»Das kann ich nicht. Dann weiß er es ja.«
»Weiß was?«
Nun klopft es im Hintergrund auf meinem Handy, ein Zeichen, dass ein weiterer Anruf eingeht. Wieder Beatrice. Ich beiße die Zähne zusammen und ignoriere es. So wichtig wird es schon nicht sein. Das kann warten.
»Ich habe nicht geschnüffelt«, protestiert sie, obwohl ich nichts dergleichen angedeutet habe. »Ich habe nur die Sachen für die Reinigung hergerichtet, und da habe ich den Beleg in seiner Hosentasche gefunden. Okay, ich habe geschnüffelt …«, gibt sie plötzlich zu. Ich höre, wie sie an ihrer Zigarette zieht. »Deshalb kann ich es ihm nicht sagen.«
»Bestimmt ist es nicht das, was du denkst«, behaupte ich. Oder das, was ich denke. »Bestimmt gibt es eine völlig logische Erklärung dafür.«
Das Klopfen hört auf, stelle ich erleichtert fest. Endlich kann ich mich auf das Gespräch konzentrieren.
»Welche denn?«, fragt Vanessa. »Ich stoße auf eine Quittung für Dessous, die nicht in meiner Größe sind. Glaub mir, ich habe das ganze Haus auf den Kopf gestellt, die Sachen aber nirgendwo gefunden. Das heißt, er muss sie für eine andere gekauft haben.«
»Äh … vielleicht war er mit einem Kollegen unterwegs, dem plötzlich einfiel, dass er Hochzeitstag hat … also sind sie zu Agent Provocateur gegangen, um für die Frau etwas zu kaufen, aber dann merkte der Kollege, dass er seine Brieftasche im Büro vergessen hat, und Julian hat das Geld ausgelegt, nett, wie er ist.«
Brillant, Charlotte. Ich habe es doch tatsächlich geschafft, den Spieß umzudrehen, so dass Julian jetzt wie der große Held dasteht und nicht wie ein feiger, hinterhältiger Drecksack, der seine Frau betrügt.
Was er natürlich nicht ist, ermahne ich mich scharf. Denn je länger ich darüber nachdenke, umso weniger überzeugt bin ich, dass Julian so etwas tun würde. Niemals. Okay, mir ist klar, wie das aussehen muss, wenn man die Beweise in Händen hält. Und mir ist auch klar, dass wir ständig von Fußballspielern oder Politikern oder Rockstars, die so etwas tun, oder auch von dem netten Kerl von nebenan lesen, der stets als Stütze der Gesellschaft galt.Aber wir reden hier von Julian, und auch wenn ich weiß, dass es zwischen ihnen in letzter Zeit nicht sonderlich gut läuft, liebt er Vanessa doch von ganzem Herzen und würde ihr so etwas nie antun.
»Hmm.«Vanessa klingt nicht mehr ganz so skeptisch. »Ich schätze, so etwas könnte passieren …«
»Natürlich könnte es das. Ich meine, es gibt massenweise logische Erklärungen.« Ich halte inne. Okay, nicht übertreiben, Charlotte.
»Meinst du?«
»Definitiv.«
Wieder läutet es auf der anderen Leitung. Es ist Beatrice. Schon wieder. Wenn diese Frau nicht beharrlich ist. Aber diesmal kann ich es nicht ignorieren.
»Vanessa, es tut mir wirklich leid, aber ich muss Schluss machen«, sage ich widerstrebend. »Meine Assistentin ruft die ganze Zeit an, und ich muss rangehen - es könnte etwas mit der Pressekonferenz zu tun haben, die wir morgen für Larry Goldsteins Star Smile UK angesetzt haben.«
»Oh, wie geht es ihm denn?«, fragt sie, plötzlich munter. »Irgendwelche Fortschritte an dieser Front?«
»Er ist verheiratet.«
»Genau«, kontert sie trocken.
Ich gehe nicht darauf ein. Obwohl ich den Anflug von schwarzem Humor mit einiger Erleichterung zur Kenntnis nehme. »Ich rufe dich zurück, ja?«
»Wahrscheinlich bin ich dann längst geschieden.«
»Vanessa!«
»War nur ein Scherz«, wiegelt sie ab. »Alles bestens.«
Aber ich weiß, dass nicht alles bestens ist.Weit davon entfernt, aber ich weiß nicht, was ich für sie tun könnte. Meine Assistentin versucht mich wegen etwas zu erreichen, das wichtig sein könnte, die Ehe meiner Freundin steht möglicherweise auf dem Spiel, wegen mir verliert ein reizender alter Mann seinen geliebten Laden, als 22-Jährige habe ich seinen Enkel nicht zur Kenntnis genommen, und laut einer Mail von Miles von heute Morgen flattert mir demnächst die Rechnung des Eigenheim-Gutachters von schlappen £ 700 ins Haus. Und meine Mutter habe ich auch noch nicht angerufen, seit die Leitung
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