Heute schon geträumt
Stirn. »Puh, keine Ahnung. Ich weiß es nicht mehr.«
»Irgendetwas darüber, wieder 21 zu sein.« Ich spüre ein Ziehen in der Magengegend.
»Ach ja, ich habe etwas über Zeitreisen gesagt.« Sie nickt mit sachlicher Miene, verstaut die Kosmetikprodukte in der Tüte und nimmt noch einen Schluck aus ihrem Glas. »Aber streng genommen ist es doch so, dass du im Fall einer Zeitreise nicht wie 21 aussehen, sondern dir selbst mit 21 wiederbegegnen würdest.«
Mit einem Mal ist mir leicht schwindlig.
»Aber du weißt ja, dass Stephen Hawking sagt, Zeitreisen seien nicht möglich«, fährt sie fort und lacht. »Sonst würden wir alle von Touristen aus der Zukunft überrannt werden.«
»Klar, natürlich ist das nicht möglich«, stimme ich eilig zu. Es muss am Champagner liegen, sage ich mir und fächle mir mit einer Broschüre Luft zu. Außerdem ist es so stickig hier drin.
»Obwohl es nach der allgemeinen Relativitätstheorie tatsächlich Ansätze für die wissenschaftliche Möglichkeit gibt, dass Zeitreisen unter gewissen außergewöhnlichen Umständen denkbar wären«, fügt sie nach einem Moment hinzu.
Ungläubig starre ich sie an. »Wie bitte? Willst du damit sagen, du glaubst an Zeitreisen?« Ich wusste ja, dass Beatrice ein bisschen ausgeflippt ist, aber völlig jenseits von Gut und Böse? »Du machst wohl Witze, oder?«
»Nein, eigentlich nicht«, erwidert sie steif und schürzt die Lippen. »Nach den Regeln der Physik gibt es mehrere ungewöhnliche Umstände, unter denen so etwas theoretisch möglich wäre. Beispielsweise vertreten einige Quantenphysiker die Meinung, jedes historische Ereignis erzeuge ein neues Universum für jede mögliche Auswirkung, die in einer Reihe anderer geschichtlicher Ereignisse resultiert.« Sie hält inne, um einen Schluck Champagner zu trinken. »Das basiert auf der Viele-Welten-Interpretation der Quantenphysik, die ein Physiker namens Hugh Everett 1957 aufgestellt hat. Sie war die Alternativauffassung zur Kopenhagener Deutung, die ursprünglich von Niels Bohr und Werner Heisenberg um 1927 herum formuliert wurde.«
Äh, hallo?
»Könntest du das wiederholen? Diesmal vielleicht in verständlichen Worten?«
»Also.« Sie stellt ihr Glas ab und streckt die Hand nach dem Tablett aus, das eine Kellnerin gerade vorbeiträgt. »Entschuldigung.« Lächelnd schnappt sie sich ein paar Mini-Quiches, ehe sie sich mir wieder zuwendet und ihre Beute auf einer Serviette auf dem Tisch neben uns ausbreitet. »Statt eines Universums«, erklärt sie und legt eine Mini-Quiche in die Mitte, »gibt es gleich mehrere davon.« Sie verteilt einige Mini-Quiches um die in der Mitte. »Und gemeinsam bilden sie die Gesamtheit der physikalischen Realität. Die verschiedenen Universen innerhalb eines Multiversums werden als Paralleluniversen bezeichnet.« Sie schnappt eine Mini-Quiche und wedelt damit vor meiner Nase herum. »Stell dir vor, das hier ist ein Paralleluniversum«, sagt sie mit ernster Miene.
»Äh … Okay.« Ich nicke zweifelnd.
»Es existiert gleichzeitig mit all den anderen Paralleluniversen.« Sie deutet auf die anderen Mini-Quiches auf dem Tisch. »Und zwischen ihnen sind Reisen möglich.Verstehst du?«
Verwundert starre ich auf die Mini-Quiches und versuche zu begreifen, was sie mir gerade erklärt hat. Für jemanden, der Physik zugunsten von Literatur abgewählt hat, ist das alles reichlich verwirrend. Falsch: sehr verwirrend.
»Aber dann gibt es natürlich andere Theorien, die die Möglichkeit vorsehen, schneller als Lichtgeschwindigkeit zu reisen und dabei große Mengen an Masse zu transportieren, was endlos viel Energie generiert und eine Zeitspaltung auslösen kann, oder aber die Nutzung kosmischer Stränge oder Wurmlöcher, die überwunden werden«, erklärt sie lässig und schiebt sich ein Paralleluniversum in den Mund. Entschuldigung, eine Mini-Quiche.
»Ein Wurmloch?«, wiederhole ich, während meine Mundwinkel zucken.
Tut mir leid, aber ich kann das nicht ernst nehmen. Was kommt als Nächstes? Raumschiff Enterprise landet auf dem Piccadilly Circus?
»Ja, so etwas wie ein Portal.« Sie zuckt die Achseln. »Oder eine Art Tunnel, was einem erlaubt, von einer Zeit in eine andere zu reisen.« Sie fährt mit dem Finger auf einer Serviette entlang.
Plötzlich spüre ich wieder dieses Flattern in der Magengegend, und ein Gedanke schießt mir durch den Kopf. Nein, das kann nicht sein. Ich verwerfe den Gedanken, noch bevor er sich zu Ende formen kann. Es ist sogar mehr als
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