Heute Und in Ewigkeit
Ihre wissenden Augen wiesen die Frage als Lüge aus.
»Alles. Hast du irgendetwas davon ernst gemeint?«, fragte ich.
Widerstrebend öffnete Lulu die Tür ein Stück weiter und ließ mich ein. »Veranstalten wir bitte kein Drama so früh am Morgen, ja? Ich muss um neun zur Arbeit.« Sie ging den Flur entlang, und ich trottete hinter ihr her.
Wir betraten die Küche, und ich nahm mir eine Tasse Kaffee. Lulu setzte sich auf einen Hocker an der Frühstückstheke und löffelte Vollkornflocken aus einer Schüssel, die ich ihr geschenkt hatte, weiß mit Kornblumen.
»Ich muss auch zur Arbeit.« Ich goss Sahne in meinen Kaffee. »Ich wollte nur kurz mit dir reden.«
Lulu warf einen viel zu offensichtlichen Blick auf die Wanduhr, dann auf ihre Armbanduhr. Musste meine ach so wichtige Schwester ihre Uhren synchronisieren? Ich hielt die warme Tasse umklammert, damit meine Hände nicht zitterten. Mein rechter Fuß pumpte wie ein Metronom.
»Wir sind gestern beide zu weit gegangen«, sagte Lulu. »Vergessen wir es einfach.«
Wo genau war ich zu weit gegangen? Ich wand ein Bein um das Stuhlbein. »Ich wollte doch nur helfen. Machst du dir denn keine Sorgen um Cassandra?«
Scheppernd ließ Lulu ihren Löffel in die Schüssel fallen. »Was genau hast du an Vergessen wir es einfach nicht verstanden?«
»Wie soll ich denn die Sachen vergessen, die du gesagt hast? Such dir ein eigenes Leben, Merry. Such dir selber einen Mann, Merry. Krieg deine eigenen Kinder, Merry. Willst du das wirklich?« Ein uraltes Verlangen nach einer Zigarette überkam mich. Ich schnappte mir die Familienpackung Cheerios und schob mir eine Handvoll trockene Frühstücksflocken nach der anderen in den Mund.
Lulu schloss die Augen. »Genau deswegen wollte ich gar nicht erst davon anfangen.«
Ich schluckte einen Klumpen Matsch herunter und fragte: »Glaubst du, ich hätte nicht gern meinen eigenen Drew?«
»Du hast jedenfalls genug Kandidaten überprüft.«
Da Lulu lächelte, entschied ich, dass sie witzig sein wollte, nicht gemein, jedenfalls nicht absichtlich. »Ich hatte nicht gerade die beste Auswahl zur Verfügung«, entgegnete ich.
»Bars sind keine geeigneten Orte, um sich einen Ehemann zu suchen.«
»Du warst betrunken, als du Drew kennengelernt hast«, erinnerte ich sie und griff nach der nächsten Handvoll Cheerios.
»Aber wir waren nicht in einer Bar. Und er war nicht betrunken.« Die heilige Lulu spülte ihre Schüssel aus, ehe sie sie in den Geschirrspüler stellte. »Was ist mit Michael? Hat er dich nicht gerngehabt?«
»Das habe ich vermasselt.« Ich hatte ihr nicht erzählt, wie fies ich an dem Wochenende in New York zu Michael gewesen war. Er musste ein gewisses Maß an Selbstachtung besitzen, denn seither hatte er nie wieder angerufen.
»Vielleicht solltest du ihn anrufen und dich entschuldigen, was immer du auch falsch gemacht hast.«
»Das ist zu kompliziert.« Welche plausible Erklärung konnte es für meine Dr.-Jekyll-und-Mr.-Hyde-Nummer geben? Außerdem war Michael viel zu nett für mich.
Lulu sprühte Bio-Putzmittel auf die Küchenablage. Sie hasste Schmutz im Haus. Sie hasste Chemikalien im Umfeld ihrer Kinder. Sie würde ihre Mädchen in Plastik verpacken, wenn sie könnte. Nein, das Einwickeln würde sie Drew überlassen. Lulu machte mir Sorgen. Dass sie nicht alles im Umfeld ihrer Kinder kontrollieren konnte, würde sie eines Tages womöglich verrückt machen.
»Du musst die Sache mit Dad auf sich beruhen lassen.« Lulu hielt mir den Rücken zugewandt, als sie das sagte. Dann wischte sie sich die Hände an einem blau karierten Handtuch ab und drehte sich um. »Er wird uns noch auseinanderreißen. Und von Drew will ich auch nichts mehr darüber hören, also tu mir den Gefallen und hör auf, mit ihm darüber zu reden.«
»Findest du, dass ich Michael anrufen sollte?«, fragte ich Valerie beim Mittagessen. Valerie und ich gingen reihum in den am wenigsten grässlichen Restaurants essen, die man vom Gericht aus gut erreichen konnte. Heute war Dumpy's Sandwich Shoppe an der Reihe. Ein dünner grüner Schmierfilm bedeckte die Plastiktische, dennoch war das hier die beste einer Reihe mieser Alternativen.
»Willst du ihn denn anrufen?«, fragte sie und zupfte an der Kruste ihres nicht angerührten Brötchens herum. Valerie war total aufgedreht. Ich hätte wetten mögen, dass eine Diätpille in ihrem leeren Magen rumorte. Gestern hatte sie einen Pulli voller Knötchen und eine zerknitterte Hose angehabt, heute hatte sie
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