Hex Hall 01 - Hawkins, R: Hex Hall 01
Pony lief. Sie trug eine dicke Brille mit schwarzem Gestell und lächelte, doch ich konnte erkennen, dass sie es nur wegen Mrs Casnoff tat. Ihr Blick wirkte schrecklich gelangweilt.
»Das ist Jennifer Talbot. Ich glaube, Sie werden sich in diesem Halbjahr ein Zimmer mit ihr teilen, Miss Mercer. Jennifer, das ist Soh-fie-jah.«
»Sophie reicht«, verbesserte ich sie, gerade als Jennifer sagte: »Jenna.«
Mrs Casnoffs Lächeln wurde straffer, als hätte sie in beiden Mundwinkeln Schrauben sitzen. »Meine Güte. Ich weiß nicht, was mit den Kindern heutzutage los ist, Ms Mercer. Da bekommen sie vollkommen hübsche Namen und haben nichts anderes im Sinn, als sie bei der ersten Gelegenheit zu verstümmeln und zu ändern. Wie dem auch sei, Miss Mercer, Miss Talbot ist wie Sie ein relativer Neuling hier. Sie ist erst im vergangenen Jahr zu uns gestoßen.«
Mom strahlte und gab Jenna die Hand. »Freut mich, dich kennenzulernen. Bist du, äh, bist du eine Hexe, so wie Sophie?«
»Mom«, zischte ich, aber Jenna schüttelte den Kopf und sagte: »Nein, Ma’am. Vampir.«
Ich konnte spüren, wie Mom sich an meiner Seite versteifte, und wusste, dass Jenna es auch merkte. Doch obwohl mir Moms Reaktion peinlich war, erschrak ich genauso wie sie. Hexen, Gestaltwandler und Elfen waren eine Sache, aber Vampire – das waren doch Monster, schlicht und ergreifend. Dieses ganze sensible Kinder-der-Nacht-Gerede war vollkommener Schwachsinn.
»Ach so, okay«, sagte Mom, um Fassung ringend. »Ich … äh, ich wusste gar nicht, dass auch Vampire Hecate Hall besuchen.«
»Das ist ein neues Programm, das wir eingerichtet haben«, erklärte Mrs Casnoff und strich Jenna übers Haar. Jenna trug einen höflichen, wenn auch leeren Gesichtsausdruck zur Schau. Aber ich sah, dass sie sich ein wenig verspannte. »Jedes Jahr«, fuhr Mrs Casnoff fort, »nimmt Hecate einen jungen Vampir auf und bietet ihm oder ihr eine Chance, an der Seite von Prodigien zu lernen, immer in der Hoffnung, dass wir diese Unglücklichen irgendwann bekehren können.«
Verstohlen sah ich zu Jenna hin. Diese Unglücklichen? Autsch.
»Leider ist Miss Talbot zur Zeit unsere einzige Vampir-Schülerin, obwohl wir auch unter den Lehrern einen Vampir haben«, sagte Mrs Casnoff. Jenna lächelte nur wieder dieses unheimliche Nichtlächeln, und wir standen verlegen schweigend da, bis Mom sagte: »Schätzchen, warum lässt du dir nicht von …« Hilflos blickte sie auf meine neue Zimmergefährtin.
»Jenna.«
»Natürlich, natürlich. Warum lässt du dir nicht von Jenna dein Zimmer zeigen? Ich möchte noch ein paar Dinge mit Mrs Casnoff besprechen, dann komme ich nach oben, um dir auf Wiedersehen zu sagen, okay?«
Ich sah Jenna an, die immer noch lächelte, aber bereits an uns vorbeizublicken schien.
Ich rückte noch einmal die Tasche auf meiner Schulter zurecht und wollte Mom schon den Koffer abnehmen, aber Jenna kam mir zuvor.
»Du brauchst mir wirklich nicht zu helfen …«, begann ich, aber sie winkte ab.
»Kein Problem. Das einzig Gute daran, ein blutsaugender Freak zu sein, ist die Kraft in den Armen.«
Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte, und brachte nur ein lahmes »Oh« zustande. Sie nahm den einen Griff und ich den anderen.
»Einen Aufzug gibt’s wohl nicht, was?« Ich sagte es nur halb im Spaß.
Jenna schnaubte. »Nee, das wäre zu bequem.«
»Warum haben sie hier nicht einfach so was wie einen Gepäcktransportzauber?«
»Mrs Casnoff besteht darauf, dass wir nicht aus Faulheit zaubern dürfen. Soll wohl den Charakter stärken, schwere Koffer die Treppen hinaufzuschleppen.«
»Klar«, meinte ich, während wir uns über den Treppenabsatz des ersten Stocks kämpften.
»Und, was hältst du von ihr?«, fragte Jenna.
»Mrs Casnoff?«
»Ja.«
»Ihr Knoten ist ziemlich beeindruckend.« Jennas Grinsen bestätigte mir, dass ich das Richtige gesagt hatte.
»Ja, nicht? Also ehrlich, diese Frisur ist … monumental.«
Sie hatte nur einen Hauch von Südstaatenakzent. Es klang hübsch.
»Apropos Frisuren«, sagte ich, »wie kommst du hier eigentlich mit dieser Strähne durch?«
Jenna strich mit der freien Hand über ihre pinkfarbene Strähne. »Ach, die interessieren sich hier nicht allzu sehr für ihren armen Vampir-Stipendiaten. Ich schätze, solange ich meine Mitschüler nicht anknabbere, steht es mir frei, jede Haarfarbe zu tragen, die ich will.«
Als wir auf dem Treppenabsatz des zweiten Stocks ankamen, begutachtete sie mich. »Ich könnte dir
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