Hex Hall 01 - Hawkins, R: Hex Hall 01
ihre Führung fort. »In Hecate Hall haben wir Schüler zwischen zwölf und siebzehn Jahren. Wenn ein Schüler oder eine Schülerin zur Strafe hierher überwiesen wurde, wird er oder sie nicht vor dem achtzehnten Geburtstag wieder entlassen.«
»Also sind einige Kinder vielleicht sechs Monate hier und andere sechs Jahre?«, fragte ich.
»Genau. Die meisten Schüler werden hergeschickt, sobald sie ihre Zauberkräfte erlangt haben. Aber es gibt immer Ausnahmen, so wie Sie eine sind.«
»Ich Glückspilz«, murmelte ich.
»Wie sieht denn der Unterricht hier aus?«, erkundigte sich Mom und warf mir einen strengen Blick zu.
»Die Unterrichtsstunden in Hecate werden entsprechend denen in Prentiss, Mayfair und Gervaudan gestaltet.«
Mom und ich nickten, als wüssten wir, wovon sie redete. Aber wir konnten ihr wohl nichts vormachen, denn sie erklärte: »Die vornehmsten Internate sind jeweils für Hexen, Feen und Gestaltwandler. Die Schüler werden sowohl ihrem Alter entsprechend als auch nach den besonderen Schwierigkeiten, die sie gezeigt haben, sich in die Menschenwelt einzufügen, bestimmten Kursen zugeteilt.«
Sie lächelte spröde. »Der Lehrplan ist recht anspruchsvoll, aber ich bezweifele nicht, dass Sophie ihre Sache gut machen wird.«
Noch nie hatte eine Ermutigung in meinen Ohren so sehr nach Drohung geklungen.
»Die Mädchenschlafsäle befinden sich im zweiten Stock«, fuhr Mrs Casnoff fort und zeigte auf die Treppe. »Die der Jungen sind im ersten. Der Unterricht findet hier im Erdgeschoss statt sowie in den umliegenden Nebengebäuden.« Sie zeigte auf die beiden Seiten neben der Treppe, wo lange, schmale Flure von der Eingangshalle abzweigten. Mit ihrer ausgestreckten Hand und dem blauen Kostüm erinnerte sie an eine Flugbegleiterin. Ich wartete nur auf den Hinweis, dass mein brandneuer Hecate-Blazer bei einer Notlandung als Schwimmweste gebraucht werden könne.
»Und werden die Schüler auch getrennt untergebracht nach … äh …« Mom fuchtelte mit der Hand.
Mrs Casnoff lächelte, aber ich fand, dass ihr Lächeln genauso stramm wirkte wie ihr Haarknoten.
»Nach ihren Fähigkeiten? Nein, natürlich nicht. Eines der Gründungsprinzipien von Hecate besteht darin, den Schülern beizubringen, mit jeder Art von Prodigien friedlich zusammenzuleben.«
Mrs Casnoff führte uns ans andere Ende des Foyers. Hier ragten drei riesige Fenster bis zu dem Treppenabsatz im zweiten Stock hinauf. Dahinter lag der Innenhof, wo sich einige Kinder bereits auf Steinbänken unter immergrünen Eichen versammelten. Ich sage Kinder . Aber ich schätze, sie waren alle ebenso komische Kreaturen wie ich, auch wenn man es ihnen nicht gleich ansah. Jetzt sahen sie wie jede ganz normale Gruppe von Schülern aus. Okay, bis auf die Elfen.
Ich beobachtete, wie ein Mädchen einem anderen lachend eine Tube Lipgloss anbot, und etwas in meiner Brust zog sich schmerzlich zusammen.
Auf einmal spürte ich, wie mir etwas Kaltes über den Arm strich, und zuckte erschrocken zurück, als eine bleiche Frau in Blau an mir vorbeirauschte.
»Ach so, ja«, sagte Mrs Casnoff mit einem leichten Lächeln. »Das war Isabelle Fortenay, eines unserer Hausgespenster. Wie Sie gewiss gelesen haben, beherbergt Hecate eine ganze Anzahl von Gespenstern, allesamt die Geister von Prodigien. Sie sind recht friedlich – und vollkommen körperlos. Das bedeutet, dass sie Sie oder etwas anderes nicht berühren können. Sie jagen Ihnen vielleicht ab und zu einen Schrecken ein, aber das ist auch alles.«
»Toll«, sagte ich, während ich zusah, wie Isabelle in einer vertäfelten Wand verschwand.
Dabei bemerkte ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung, und als ich mich umdrehte, sah ich am Fuß der Treppe ein weiteres Gespenst stehen. Es war ein Mädchen, etwa in meinem Alter, und sie trug eine leuchtend grüne Strickjacke über einem kurzen, geblümten Kleid. Im Gegensatz zu Isabelle, die mich offenbar gar nicht bemerkt hatte, starrte mich dieses Mädchen direkt an. Ich öffnete den Mund, um Mrs Casnoff zu fragen, wer sie war, aber die Direktorin war bereits mit jemandem auf der anderen Seite der Halle beschäftigt.
»Miss Talbot!«, rief sie. Mich erstaunte es, wie ihre Stimme den riesigen Raum überwand, ohne dass sie auch nur im Entferntesten so klang, als schreie sie.
Ein winziges Mädchen, kaum einen Meter fünfzig groß, erschien neben Mrs Casnoff. Ihre Haut war beinahe schneeweiß, ebenso wie ihr Haar, mit Ausnahme einer grellpinken Strähne, die durch ihren
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