Hex Hall 01 - Hawkins, R: Hex Hall 01
Und dann verschwand es. Es war kein allmähliches Verblassen, wie ich es bei Isabelles Geist gesehen hatte. In einem Augenblick war der Geist da und im nächsten wieder fort.
»Es wird immer merkwürdiger und merkwürdiger«, sagte ich eine Spur zu laut in die Stille hinein, was das Ganze noch unheimlicher machte.
Meine gute Laune ließ gleichzeitig mit der Zaubertrunkenheit nach, und als ich an mir heruntersah, bemerkte ich, dass mein hübsches und viel cooleres Outfit sich wieder in meine Sportuniform zurückverwandelt hatte. Das war seltsam. Meine Zauber hielten sonst immer viel länger. Das Sofa unter mir fühlte sich auch schon ein wenig härter an, und ich schätzte, dass ich in etwa fünf Minuten wieder auf heißem, moosbewachsenem Stein sitzen würde.
Meine Gedanken kehrten zu meinen Eltern und ihrer offenkundigen Neigung zurück, gemeine alte Lügner zu sein. Doch noch während ich mich in einen gerechten Zorn auf sie hineinsteigern wollte, weil sie mich diesem Schlamassel ausgesetzt hatten, wusste ich schon, dass ich eigentlich nicht deswegen so ärgerlich war.
Es lag vielmehr daran, dass sich meine schlimmste Angst zu bewahrheiten schien. Es ist nämlich eine Sache, unter Leuten anders zu sein, die wirklich, na ja, anders sind als man selbst. Aber eine ganz andere Geschichte ist es, eine Ausgestoßene in einer Gruppe von Ausgestoßenen zu sein. Ich seufzte und legte mich wieder auf das Sofa, an dem jetzt schon an einer Seite das Moos emporkroch. Ich schloss die Augen.
»Sophia Alice Mercer, ein Freak unter Freaks«, murmelte ich.
»Pardon?«
Ich schlug die Augen auf und sah eine Gestalt über mir aufragen. Die Sonne stand direkt hinter ihr und verwandelte sie in einen schwarzen Schatten, aber an ihrer Frisur war Mrs Casnoff leicht zu erkennen.
»Stecke ich in Schwierigkeiten?«, fragte ich, ohne aufzustehen.
Wahrscheinlich war es eine Halluzination, verursacht durch die Hitze, aber ich war mir ziemlich sicher, dass ich sie lächeln sah, als sie sich vorbeugte, um mir eine Hand unter die Schulter zu legen und mich in eine sitzende Position zu schieben.
»Mr Cross zufolge haben Sie für den Rest des Halbjahres Kellerdienst, also würde ich sagen, ja, Sie stecken sogar ziemlich in Schwierigkeiten. Aber das ist Ms Vanderlydens Angelegenheit, nicht meine.«
Sie blickte auf mein neonpinkes Sofa hinab und zog einen angewiderten Flunsch. Dann legte sie eine Hand auf die Rückenlehne, und mein Zauber löste sich in einem Regen pinkfarbener Funken auf, bis aus meiner Chaiselongue eine sehr respektable, hellblaue Couch mit einem großen Rosenmuster geworden war.
»Besser«, sagte sie energisch und setzte sich neben mich.
»Also, Sophia, möchten Sie mir nun verraten, warum Sie hier am Teich sitzen, statt in ihre nächste Unterrichtsstunde zu gehen?«
»Ich hatte einen Anfall von Teenager-Existenzangst, Mrs Casnoff«, antwortete ich. »Ich muss unbedingt was in mein Tagebuch schreiben oder …«
Sie schnaubte leise. »Sarkasmus ist eine unattraktive Eigenschaft bei jungen Damen, Sophia. Ich bin nicht hier, um an der Jammerparty teilzunehmen, die Sie für sich selbst abhalten, daher würde ich es vorziehen, wenn Sie mir die Wahrheit sagten.«
Ich sah sie an, wie sie mit ihrem cremeweißen Wollkostüm perfekt bekleidet erschien (wieder Wolle in der Hitze! Was war nur mit diesen Leuten hier los?), und seufzte. Selbst meine eigene Mom, die cool und modern war, verstand mich kaum. Wie sollte mir denn dann diese verblühende Stahlmagnolie mit ihrem haarsprayzementierten Haar eine Hilfe sein?
Doch dann zuckte ich die Achseln und sprudelte einfach alles heraus. »Ich weiß rein gar nichts über das Hexesein. Alle anderen hier sind in dieser Welt aufgewachsen, aber ich nicht, und das ist ätzend.«
Ihre Lippen machten wieder diese Kräuselbewegung, und ich dachte schon, gleich würde sie mich tadeln, weil ich ätzend gesagt hatte, doch sie erwiderte: »Mr Cross hat mir berichtet, dass Sie nicht wussten, dass Ihr Vater das gegenwärtige Oberhaupt des Rates ist.«
»Stimmt.«
Sie zupfte sich einen kleinen Fussel vom Kostüm. »Ich habe keinen Einblick in die Beweggründe Ihres Vaters, aber ich bin davon überzeugt, dass er einen guten Grund hatte, seine Position vor Ihnen geheim zu halten. Davon abgesehen ist Ihre Anwesenheit hier sehr … heikel, Sophia.«
»Was soll das heißen?«
Sie schwieg lange und starrte auf den See hinaus. Schließlich drehte sie sich zu mir um und nahm meine Hand. Trotz der Hitze
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