Hex Hall 01 - Hawkins, R: Hex Hall 01
wusste ich. Das Beste, was ich je hinbekommen hatte, war ein aufgeschürftes Knie zu heilen, aber einen Versuch war es trotzdem wert. Die kleinen Löcher an ihrem Hals schienen sich kurz zusammenzuziehen, klafften dann aber doch wieder auf. Mir entfuhr ein Schluchzen. Verdammt, warum war meine Hexenkunst nur so beschissen?
Chastons Lider flatterten kurz, und dann öffnete sie den Mund, als versuche sie, etwas zu sagen.
Ich rannte zur Tür. »Mrs Casnoff! Hört mich jemand! Hilfe!«
Mehrere Köpfe erschienen in Türen entlang des Gangs.
»O Gott«, hörte ich jemanden wimmern. »Nicht schon wieder.«
Mrs Casnoff erschien im Morgenmantel oben an der Treppe, ihr Haar fiel in einem langen Zopf über ihren Rücken. Sobald sie sah, wo ich stand, erbleichte sie. Aus irgendeinem Grund war es ihre angstvolle Reaktion, die mich zusammenbrechen ließ. Meine Knie zitterten, und meine Kehle schnürte sich von Tränen zu. »Es ist … es ist Chaston«, brachte ich heraus. »Sie … da ist Blut …«
Mrs Casnoff packte mich und sah ins Bad. Ihre Hände krampften sich in meine Schultern, und sie starrte mir ins Gesicht. »Sophia, Sie müssen Cal holen, so schnell wie möglich. Wissen Sie, wo seine Wohnung ist?«
Mein Gehirn fühlte sich wie Rührei an, wie in so einer alten Arzneiwerbung. »Der Gärtner?«, fragte ich töricht. Was konnte Mrs Casnoff von ihm wollen? War er ein Sanitäter oder so etwas?
Mrs Casnoff nickte, wobei sie meine Schultern immer noch umklammert hielt. »Ja, Cal«, wiederholte sie. »Er wohnt neben dem Teich. Holen Sie ihn und sagen Sie ihm, was passiert ist.«
Ich drehte mich um und rannte zur Treppe. Während ich rannte, sah ich Jenna aus unserem Zimmer kommen. Ich glaubte, sie meinen Namen rufen zu hören, aber da war ich schon zum Haupteingang hinaus und in die Nacht gelaufen.
Obwohl der Tag warm gewesen war, musste es jetzt so kalt geworden sein, dass sich meine Arme mit einer Gänsehaut überzogen. Die einzige Beleuchtung kam aus der Schule hinter mir, und die riesigen Fenster wurden auf dem Rasen zu noch größeren Rechtecken aus Licht. Ich wusste, dass der See links von mir lag, und rannte in diese Richtung. Die kühle Luft schnitt wie Messer in meine Lungen. Mit Mühe konnte ich einen dunklen, klobigen Umriss erkennen und hoffte dringend, dass das Cals Haus sein möge und kein Lagerschuppen oder so etwas. Obwohl ich gegen die Panik ankämpfte, sah ich immer noch dauernd Chaston vor mir, die auf den schwarzweißen Kacheln verblutete.
Beim Näherkommen stellte ich fest, dass es eindeutig ein Haus war. Von drinnen konnte ich leise Musik hören, und das Fenster war schwach erhellt.
Inzwischen war ich so außer Atem, dass ich gar nicht wusste, ob ich ein Wort herausbringen würde.
Ich brauchte nur etwa drei Sekunden lang gegen die Tür zu hämmern, bevor sie aufgerissen wurde und Cal vor mir stand.
Ich hatte erwartet, dass er alt und bäurisch und dazu noch ziemlich bärbeißig sein würde, weshalb es ein echter Schock war, dem athletischen Kerl gegenüberzustehen, den ich am ersten Tag gesehen und für jemandes älteren Bruder gehalten hatte. Er konnte nicht älter sein als neunzehn, und sein einziges Zugeständnis an Bäuerlichkeit waren ein Flanellhemd und eine leicht verärgerte Miene.
»Es ist Schülern nicht gestattet …«, begann er, aber ich fiel ihm ins Wort.
»Mrs Casnoff schickt mich, Sie zu holen. Es geht um Chaston. Sie ist schwer verletzt.«
Sobald ich Mrs Casnoff erwähnt hatte, zog er die Tür hinter sich zu. Dann rannte er auch schon an mir vorbei und über den Rasen auf das Haus zu. Noch ganz erledigt von meinem Sprint, zottelte ich hinterher.
Als wir zu Chaston kamen, hatte man sie bereits aus der Wanne gezogen und in ein Badehandtuch gehüllt. Verbände verdeckten inzwischen die Löcher an ihrem Hals und waren fest um beide Handgelenke gewickelt worden. Aber sie sah immer noch entsetzlich blass aus, und ihre Augen waren geschlossen.
Elodie und Anna kauerten sich im Schlafanzug am Waschbecken zusammen und hielten einander schniefend in den Armen. Mrs Casnoff kniete neben Chastons Kopf und murmelte etwas vor sich hin. Ob es Trost oder Zauberei war, wusste ich nicht. Als Cal eintrat, blickte sie auf, und ihr Gesicht wurde vor Erleichterung schlaff, so dass sie eher nach besorgter Großmutter aussah als nach ehrfurchtgebietender Schuldirektorin. »Dem Himmel sei Dank«, sagte sie leise. Als sie aufstand, bemerkte ich, dass ihr schwerer Seidenmorgenmantel an den Knien
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