Hex Hall 01 - Hawkins, R: Hex Hall 01
sich so gut an, dass ich eine Weile brauchte, bis ich merkte, dass meine linke Hand brannte.
Mein Kopf war ungeheuer schwer, als ich ihn hob, um meine Hand anzusehen, die auf seiner Brust lag, direkt über seinem Herzen.
Und dann machte der Nebel der Lust, der mein Gehirn umwölkte, einer betäubenden Welle des Schocks Platz. Denn ich musste beobachten, wie eine Tätowierung – ein schwarzes Auge mit einer goldenen Iris – unter meinen Fingern erschien.
29
Zuerst weigerte ich mich zu glauben, was ich sah. Dann wich Archer, der bemerkte, wie ich erstarrte, zurück und senkte den Blick.
Als er den Kopf wieder hob, war er blass, und in seinen Augen stand ein panischer Ausdruck. In dem Moment wurde mir klar, dass das, was ich durch meine Finger sah, Wirklichkeit war: Es war das Mal von L’Occhio di Dio. Archer war ein Auge. Ich sagte mir die Worte bewusst im Geist vor, ohne sie richtig zu begreifen. Ich wusste, ich hätte schreien oder weglaufen sollen oder irgendwas, aber ich konnte mich nicht bewegen.
Archer sagte etwas. »Sophie.«
Als wäre mein Name das Codewort, das meine Lähmung durchbrach, stieß ich ihn mit beiden Händen von mir. Das kam unerwartet für ihn, sonst hätte ich es nie geschafft, ihn umzuwerfen. Doch er verlor das Gleichgewicht und krachte gegen ein Regal, dessen Inhalt sich auf den Boden ergoss. Eine bösartige, gelbe Flüssigkeit quoll aus einem der zerbrochenen Gläser. Ich rutschte darin aus, als ich mich umdrehte, um wegzurennen.
Archer hatte sich jedoch schon wieder aufgerichtet und packte mich am Arm. Ich glaubte ihn wieder meinen Namen sagen zu hören, war mir aber nicht sicher. Ich drehte mich herum, und durch meinen Schwung verlor er erneut das Gleichgewicht. Als er in dem gelben Matsch ausglitt, stieß ich ihm mit aller Kraft den Ellbogen gegen die Brust. Die Luft wich aus seinen Lungen, und er krümmte sich, worauf ich meine Chance nutzte und ihm den Handballen in den Unterkiefer rammte.
Technik Nummer drei, dachte ich.
Ich hatte in Verteidigung etwas gelernt.
Archer hielt sich den Mund, und tiefrotes Blut floss ihm durch die Finger. Ein verrückter Drang zu lachen machte mir zu schaffen. Gerade noch hatte ich diesen Mund geküsst, und jetzt blutete er meinetwegen.
Er griff nach mir, aber er war zu langsam, und ich konnte gerade noch rechtzeitig ausweichen.
Wie viele Male hatten wir in Verteidigung gegeneinander gekämpft? Hatten wir uns nur auf diesen einen Augenblick vorbereitet? Hatte Archer beobachtet, wie ich mich anstrengen musste, seine Schläge abzuwehren, und darüber gelacht, wie einfach es sein würde, mich zu töten?
Ich duckte mich, vereitelte damit seinen letzten Versuch, mich zu packen, und rannte auf die Treppe zu. Mein Verstand schien eine von diesen spiralförmigen Rutschen hinunterzusausen. Ich konnte nur denken, dass Archer mich geküsst hatte, dass Archer Holly getötet hatte, dass Archer Chaston verletzt und Anna angegriffen hatte. Ich sah mich nicht um, glaubte aber, seine Finger meinen Knöchel streifen zu spüren. Ich rannte zur Tür, doch da fiel mir ein, dass sie verschlossen war … O mein Gott, sie war ja abgeschlossen!
Schreiend warf ich mich gegen das Holz: »Vandy! Mrs Casnoff! Hilfe!«
Ich hämmerte, so fest ich konnte, mit den Fäusten gegen die Tür, drehte mich dann aber doch kurz um und sah gerade noch, wie Archer sein Hosenbein hochzog. Ich brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass er nach etwas griff, das an seinem Bein befestigt war.
Ein Messer. Ein silbernes Messer wie das, mit dem man Alice das Herz herausgeschnitten hatte.
Mein Schreien wurde heiser und ganz schwach vor Angst, wie in einem Albtraum.
Doch Archer ging nicht auf mich los. Er lief zu dem niedrigen Fenster im hinteren Teil des Kellers und setzte das Messer an dem uralten Schloss an.
Jetzt konnte ich Leute auf der anderen Seite der Tür hören – Schritte und, so schien mir, auch das Klappern von Schlüsseln.
Das Schloss an der Tür und das Schloss am Fenster gaben im selben Moment nach.
Archer sah mich ein letztes Mal an, als ich an der Tür zusammenbrach. Ich konnte den Ausdruck auf seinem Gesicht nicht deuten, aber ich erkannte schockiert, dass Tränen in seinen Augen standen. Dann schlüpfte er zum Fenster hinaus, gerade als sich die Tür hinter mir öffnete und ich der Vandy zitternd in die Arme fiel.
Ich saß auf dem Sofa in Mrs Casnoffs Büro, eine Tasse heißen Tee in der Hand. Dem Geruch nach war in der Tasse mehr als nur Tee, aber ich
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