Hexe auf leisen Sohlen
Fragen stellen.«
Es gibt ein paar verlogene
Schurken, die von mir behaupten, daß mein Gesicht gelegentlich einen stupiden
Ausdruck zeigt. Aber diesmal muß ich bestimmt ein sehr dämliches Gesicht
gemacht haben. Charity Adam nahm diesen Ausdruck zweifellos wahr, aber sie
deutete ihn nicht richtig.
»Verzeihen Sie«, sagte sie,
»Sie wünschen, daß ich mich ganz ausziehe. Selbstverständlich.«
Sie öffnete den Reißverschluß
an der scharlachfarbenen Hose, streifte sie auf die Knöchel hinunter und trat
dann anmutig daraus. Danach hatte sie nur noch einen winzigen blauen
Seidenschlüpfer an.
Ich räusperte mich ratlos.
»Hören Sie mal«, sagte ich, »ich...«
»Ich verstehe«, unterbrach sie
höflich. »Es ist Ihnen lieber, wenn ich das noch eine Weile anbehalte.
Vielleicht möchten Sie es mir gern selbst ausziehen. Ganz wie Sie wollen, Danny
Boyd, alles nach Ihren Wünschen.«
Mir blieb gar nichts anderes zu
tun als eines. Darum tat ich es. Ich holte aus und schlug ihr mit der flachen
Hand ins Gesicht. Die Ohrfeige gab einen lauten, schmerzhaft klatschenden Ton
und riß ihr den Kopf zur Seite. Einen Augenblick lang stand sie benommen da,
dann löste sie sich in Tränen auf. Ich ließ sie eine Weile weinen, bis sie sich
etwas beruhigt hatte, dann sagte ich: »Schluß jetzt! Wo ist Vernon?«
Sie schauderte, und ihre Kehle
zuckte krankhaft, als sie versuchte, etwas zu sagen. Dann gab sie den Versuch
auf und nickte einmal mit dem Kopf auf eine Tür zu, die zum Schlafzimmer führen
konnte.
»Verdammt noch mal, warum haben
Sie das nicht gleich gesagt?« fragte ich sie freundlich.
Sie schüttelte als Antwort
stumm den Kopf.
»Ich werde mit ihm reden«,
sagte ich. »Wollen Sie sich nicht wieder anziehen, während ich bei ihm bin, und
sich einen Augenblick hinsetzen?«
Ich ging zur Tür hinüber und
klopfte leicht an.
»Vernon Clyde«, rief ich
gedämpft, »hier ist Danny Boyd. Ich muß mit Ihnen reden. Es ist dringend und kann
nicht warten. Vernon?«
Aus dem Raum kam keine Antwort.
Ich blickte mich nach Charity um und erkannte, daß jede weitere Frage an sie
Zeitverschwendung sein würde.
Sie hatte sich noch nicht die
Mühe gemacht, sich wieder anzuziehen, sondern schritt wieder gleichmäßig auf
und ab, in ihren Augen wieder der leere Blick. »Klack, klack, klackedi =klack...« Es reichte aus, um einen dazu zu
bringen, wieder alles mit der Hand zu schreiben.
Ich legte die Hand auf die
Klinke und drückte. Die Tür öffnete sich widerstandslos, und ich trat in das
Schlafzimmer. Die Deckenlampe brannte, und der ganze Raum war hell erleuchtet.
Es war wie eine Szene aus einem Alptraum von Dostojewsky .
Vernon Clyde hatte sich sein
Zuhause etwas kosten lassen. Das Schlafzimmer war in einer Weise eingerichtet,
wie ich es vorher nie gesehen hatte. Die Decke war elfenbeinfarben, eine Reihe
indirekter Lichtquellen beleuchtete den Raum mit gleichmäßiger Helle. Die Wände
waren schimmernd weiß tapeziert, der Boden war fast ganz von einem riesigen weißen
Schafwollteppich bedeckt, das Bett selbst war im Hollywoodformat aus weißer
Fichte mit schwarzseidenen Laken und weinroten, seidenen Bezügen für die
Kissen. Vier mannsgroße Spiegel in blinkenden Silberrahmen waren an den Wänden
um das Bett angebracht. Sie waren so angeordnet, daß man selbst dann, wenn man
allein ins Bett ging, stets von einem zum Bridge bereiten Quartett umgeben war,
wenn man die Augen öffnete.
Doch wie ich schon sagte, bot
es eine Szene wie aus einem Alptraum von Dostojewsky .
Noch niemals hatte ich so viel Blut gesehen. Ich hatte nicht geahnt, daß es so
viel Blut geben konnte, jedenfalls nicht im Körper eines Menschen.
Die Wand unter dem geöffneten
Fenster war mit Blut beschmiert. In der Mitte des Schafwollteppichs stand eine
große Pfütze, die sich vor meinen Augen weiter ausbreitete, eine Spur großer,
roter Tropfen lief von dort zum Fußende des Bettes und über die schwarzen
Seidenlaken zu der Stelle, an der Vernon Clyde schräg über dem Kopfende des
Bettes lag.
Ich gewann die Herrschaft über
meine Beine wieder und trat näher. Als ich nahe bei ihm war, warf ich einen
Blick auf ihn und wendete mich schnell wieder ab.
Es war das Werk eines
Wahnsinnigen, eines Wahnsinnigen mit einem Messer, der immer wieder zugestochen
und zugeschlagen hatte, noch lange, nachdem Clyde schon tot war. Ich ging
schnell in den Wohnraum zurück und schloß die Schlafzimmertür hinter mir.
Charity brach ihr Hin und Her
auf dem Teppich ab, als
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