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Hexe auf leisen Sohlen

Hexe auf leisen Sohlen

Titel: Hexe auf leisen Sohlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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war sie soweit und wartete auf mich. Sie stand mitten in dem Wohnraum,
ihren abgestoßenen Koffer krampfhaft in der einen Hand, einen Schal fest um
ihren Kopf gewunden. Ein übergroßer Dufflecoat verhüllte die scharlachrote Hose
oder jedenfalls den größten Teil davon. Sie wirkte so verloren wie ein
Schulmädchen, das in der Welt der Erwachsenen sich selbst überlassen wurde, und
vielleicht war sie auch gerade das.
    Ich spülte die Gläser, aus
denen wir getrunken hatten, aus, wischte die Klinke des Schlafzimmers innen und
außen ab und tat das gleiche an der Eingangstür. Auf dem Weg aus dem Gebäude
begegnete uns niemand, und das war schon etwas wert. Als ich den Wagen vom
Gehsteig fortlenkte, fühlte ich mich erleichtert.
    »Wo bringen Sie mich hin?«
fragte sie. Ihre Stimme wurde von dem überdimensionalen Kragen des
überdimensionalen Dufflecoats gedämpft.
    »Zu mir«, antwortete ich. »Wenn
wir da sind, werden wir uns etwas überlegen. Jetzt ist es drei Uhr nachts und
nicht die richtige Zeit, um nach einem Hotelzimmer zu suchen.«
    »Ich möchte, daß Ihnen eines
klar ist, Mr. Boyd«, sagte sie mit gespannter Stimme. »Ich lege keinen Wert auf
weitere... Lebenserfahrungen.«
    »Warum nennen Sie mich nicht
Danny?« fragte ich. »Wir haben schließlich die gleiche Leiche am Hals.«
    Wir kamen in meine Wohnung
hinauf, und ich schaltete das Licht ein, dann schloß ich die Tür. Charity ließ
ihren Koffer mitten im Wohnraum fallen, ging dann zum Fenster hinüber und sah
auf den Park hinunter. »Hübsch«, sagte sie mit tonloser Stimme.
    »Wenn ich gewußt hätte, daß Sie
zu mir kommen, hätte ich die Wände indigo streichen lassen«, sagte ich. »Warum
ziehen Sie nicht ihren Mantel aus und setzen sich?«
    »Danke, ich möchte lieber
stehen«, antwortete sie mit bedrückter Stimme.
    »Zum Teufel«, fuhr ich sie
ungeduldig an, »für Clyde waren Sie vielleicht die Venus von Milo — mit
indigoblauen Armen —, aber für mich sind Sie nichts weiter als ein Problem. Von
mir aus können Sie hier den Tanz der sieben Schleier aufführen, und alles, was
Sie sich dabei einhandeln, ist eine Gänsehaut.«
    Langsam legte sie den
Dufflecoat ab und ließ sich dann in den nächsten Sessel fallen. Ihr Gesicht
hatte den niedergeschlagenen Ausdruck, den mein Bankkonto am Monatsende zu
zeigen pflegt. Ich bot ihr eine Zigarette und einen Drink an, sie lehnte aber
beides ab. Darum offerierte ich beides Danny Boyd, der nicht so dumm war,
abzulehnen.
    »Um einen Punkt klarzustellen«,
begann ich. »Falls jemand danach fragen sollte, und es ist so gut wie sicher,
daß die Polente früher oder später danach fragen wird: Sie haben Vernon Clyde ein paarmal in seiner Wohnung besucht, aber das ist
alles.«
    »Und wo soll ich während der
ganzen letzten sechs Wochen gewohnt haben?« fragte sie lustlos.
    »Hier bei mir. Niemand kann das
Gegenteil beweisen.«
    »Oh!«
    Ich leerte mein Glas und
brachte es in die Küche. Sie war so unaufgeräumt wie immer; es war gerade noch
zu ertragen.
    »Da draußen ist Kaffee«, sagte
ich, als ich in den Wohnraum zurückkam. »Im Kühlschrank liegt ein Steak, falls
Sie Hunger haben. Sie bleiben für den Rest der Nacht am besten hier. Morgen
finden wir ein Zimmer für Sie. Sie können das Schlafzimmer für sich haben.«
    »Danke«, antwortete sie ein
wenig zweifelnd. »Sie haben doch nicht vergessen, daß ich Ihnen sagte, ich
möchte keine weiteren Lebenserfahrungen mehr machen, Danny?«
    »Ich muß sowieso wieder fort«,
antwortete ich. »Aber für eine Dame, die mir erst vor einer Stunde ihre Kleider
an den Kopf geworfen hat, haben Sie Ihre Ansicht wirklich schnell geändert.«
    Ihr Lächeln war zum erstenmal
echt. »Das ist Ihr Pech«, meinte sie leise. »Sie hätten das Angebot annehmen
sollen, als es gemacht wurde.«
    »Schade, aber das ist ein
Punkt, über den wir uns später vielleicht noch einigen können«, sagte ich.
»Entschuldigen Sie mich einen Augenblick.«
    Mir war plötzlich eingefallen,
daß ich vielleicht den Fettwanst und Herbie, noch ehe die Nacht vorüber war,
mit einem Besuch beehren mußte. Als ich sie das letztemal gesehen hatte, hatten wir nicht gerade Freundschaft geschlossen, wenn ich auch
einen gewissen Einfluß auf Herbies Nase und rechte Niere ausgeübt hatte.
Vielleicht sollte ich einen Freund mitnehmen, wenn ich zu ihnen ging.
    Mein Freund befand sich in der
obersten Schublade der Kommode im Schlafzimmer. Um genau zu sein, waren es zwei
Freunde. Eine Magnum, Kaliber

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