Hexen in der Stadt
Mutter, der alten Dürrin, keine Erwähnung getan wurde, geschah gewiß zu Ehren dieses von allen geachteten Mannes, der eine solche Schande im eigenen Haus am wenigsten verdient hat. Inzwischen ist auch der Doktor Reutter, der gute und gelehrte Mann, spurlos aus der Stadt verschwunden samt seinem Eheweibe. Seine Töchter, die in üblen Verdacht geraten und mehrere Male besagt worden sind, haben sich dem drohenden Gericht durch die Flucht entzogen, wobei ihnen der Teufel sichtbarlich Beistand geleistet haben soll. Danach, am nächsten Morgen, sind auch die Eltern fort gewesen. Wie man sich doch in Leuten täuschen kann! Dem Doktor hätt’ ich solche Hinterlist am letzten zugetraut. Seine Kranken trauern ihm sehr nach. Es sind aber seit meiner letzten Eintragung nur vier Brände geschehen und dabei gerichtet worden:
Im einundzwanzigsten Brand sechs Personen:
Der Spitalmeister im Dietricher Spital, ein sehr gelehrter Mann,
Der Stoffel Holzmann,
Ein Knab von vierzehn Jahren,
Des Stolzenberger Ratsherrn Söhnlein,
Zween Alumnii.
Im zweiundzwanzigsten Brand sechs Personen:
Der Stürmer, ein reicher Büttner,
Ein fremder Knab,
Des Stolzenberger Ratsherrn große Tochter,
Die Stolzenbergerin selbst,
Die Wäscherin im Neuen Bau,
Ein fremd Weib.
Im dreiundzwanzigsten Brand neun Personen:
Des David Kroten Knab von zwölf Jahren, in der andern Schul,
Des Fürsten Koch zwei Söhnlein, vierzehen und zehenjährig,
Der Melchior Hammelmann, Vicarfus zu Hach,
Der Nicodemus Hirsch, Chorherr im Neuen Münster,
Ein Alumnus.
N. B. Der Vogt im Brambacher Hof und ein Alumnus sind lebendig verbrannt worden.
Im vierundzwanzigsten Brand sechs Personen:
Zwei Knaben im Spital,
Ein reicher Büttner,
Der Lorenz Stübner, Vicarius im Neuen Münster,
Die Roßleins Martien.
Der Fürstbischöfliche Rat Doktor Faltermeier, der nach dem Ausscheiden seines Kollegen Dürr mehr als vorher und weit mehr, als ihm lieb war, mit den Prozessen befaßt wurde, wußte Genaueres über den zweiundzwanzigsten Brand, der am 6. Oktober 1628 stattgefunden hatte. An diesem Tage schrieb er an einen Freund:
»Anheut sind allhier sechs Personen Hexerei halber justifizieret worden, darunter eine Tochter der Kanzlerin von Eichstätt.«
»Ein fremd Weib – « mehr hatte der Malefizschreiber nicht von ihr gewußt, und mehr war wohl nicht übriggeblieben von der jungen Kanzlertochter, die »auch ein schön Mensch« gewesen war. Ihre Mutter war in einem der ersten Brände gerichtet worden. Die Tochter hatte mehr als ein Jahr lang auf ihrer Unschuld beharrt.
Kinderspiele
Aus dem Brief eines Chorherrn vom Neuen Münster an einen Freund zu Paderborn in Westfalen:
Im Frühjahr 1629, ohne Datum
Das Hexenwesen betreffend, so Ihro Gnaden vor diesem vermeint zum End gebracht zu haben, stehet es wieder auf ein neues also, daß es nit mag ausgesprochen werden. Ach des Elends und Jammers! Es sein noch vierhundert in der Stadt, Vornehme und mediocris fortunae homines utriusque Status et sexus imo etiam religiosi so stark denunzieret, daß man sie alle Stund angreifen mag. Es ist gewiß, daß aus meines Gnädig Fürsten Leuten allhier aus allen Ämtern und facultatibus hingerichtet werden müssen: Ordensleut, gelehrte Fürstliche Rat vom Kammergericht und dero Doctores, servatores civitatis, assessores, quos plerosque V. R. novit, es sein candidati juris einzuziehen. Mein Herr hat über die vierzig Alumnos, so bald Pfarrherrn werden sollen, darunter dreizehn oder vierzehn Hexenmeister sein. Ein Diakonus ist vor wenig Tagen eingezogen worden, zween andere, so zitiert, sein ausgerissen. Notarius consistorii nostri ecclesiastici vir doctissimus ist gestern eingezogen und auf die Peinbank gestreckt worden. Ut unicumdicam, es gehet der dritte Teil der Stadt gewiß drauf. Die Reichsten, Schönsten, Vornehmsten seins allbereits gerichtet. So ist eine Jungfrau von neunzehn Jahren hingerichtet worden, von welcher männiglich sagt, daß sie die Schönste in der ganzen Stadt gewesen ist, von jedermann als unica filia modestissima et castissima gehalten worden. Dieser werden die andern besten und schönsten Personen nachfolgen.
Es gehen solche Personen mit Trauerkleidern frisch und unverzagt zum Tode ohn alle Bekümmernis, in Summa, man spürt keine Furcht, die sie vor dem Feuer hätten. Es werden auch viele hingerichtet darum, daß sie Gott verleugnet und auf den Tänzen gewesen, haben aber sonst keinen Menschen beleidigt.
Zum
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