Hexenblut
all die schrecklichen Dinge, die sie getan hatte, um mehr Macht zu gewinnen, damit sie ihren Coven schützen konnte, traf sie wie ein tödlicher Hieb. Sie war mächtiger als ihr restlicher Zirkel zusammengenommen, und gerade deshalb konnte sie ihnen nicht helfen.
»Es tut mir leid«, sagte sie. Lichtkugeln flammten über ihnen auf, und eine Explosion ließ den Boden erzittern. Ein Schimmer umgab sie plötzlich wie eine schützende Hülle aus Licht. »Ich kann nicht. Ich kann euch nicht helfen.«
»Nein!«, schrie Nicole und warf sich zwischen Philippe und Eli auf den Boden. »Sieh dir Philippe an! Und Eli liegt im Sterben!«
Ein Geschoss traf die Mauer über Hollys Kopf, und Schuttteilchen schossen durch die Luft wie Granatsplitter. Die Kugel um Holly herum glühte heller. Amanda und Tommy murmelten einen Zauber und ließen eine unsichtbare Barriere zwischen der Gruppe und den umherfliegenden Splittern entstehen. Nicole warf sich schützend vor die beiden Männer.
»Was ist denn passiert?«, fragte Richard Holly.
»Ich... ich bin jetzt eine Blinde Richterin«, sagte sie und erkannte, dass sie es selbst erst jetzt richtig glauben konnte, da sie es laut ausgesprochen hatte. »Wir bewahren das Gleichgewicht. Ich darf mich nicht einmischen.«
»Einmischen?«, wiederholte Nicole und hob den Kopf. »Ich flehe dich an, Eli das Leben zu retten. Und Owen! Ach, Philippe...« Sie fing sich mühsam. »Verdammt noch mal, Holly, hilf uns!«
Es brach Holly schier das Herz. Sie spürte, wie die Kugel dicker wurde, während sie durch das Licht nach draußen spähte. Die Hülle tauchte ihre Cousinen und Freunde in ein milchig weißes, sanftes Leuchten.
»Wenn das Jer wäre, würdest du ...«, begann Amanda, doch sie ließ den Satz unvollendet.
Jer taumelte um die Ecke in die Seitenstraße, Eves Arm um die Schultern geschlungen. Sein Gesicht war blutbeschmiert, so dass Holly nicht einmal seine Narben sehen konnte. Eves Gesichtsausdruck veränderte sich kaum, als sie Holly bemerkte. Sie wirkte ausgelaugt und völlig verstört. Sie zog vorsichtig den Arm von Jers Schultern und trat beiseite. Jer starrte Holly eine Sekunde lang an. Zwei. Drei. Dann rannte er auf sie zu, durch die Hülle hindurch, und schlang die Arme um sie. Sie drückte ihn an sich, nahm seinen Duft in sich auf, seine feste Wärme, seine Liebe.
»Holly, beim großen Gott«, hauchte er, und dann küssten sie sich. Ihre Lippen berührten sich, öffneten sich. Er sog ihr den Atem aus und flößte ihn ihr wieder ein, vermischt mit seinem. Ihre Herzen spürten den Schlag des anderen. Sie hielten einander fest, glaubten endlich, wurden eins.
»Es tut mir leid, es tut mir so leid«, stieß Jer hervor. »Holly, ich liebe dich. Heirate mich, werde meine Fürstin. Jetzt gleich. Hier.« Er winkte Amanda, Nicole und Tommy herbei. »Helft uns, wir halten einen Zirkel ab. Eve, nimm es mir nicht übel, aber du bist eine Hexerin, und ...«
Ein paar Augenblicke lang konnte Holly gar nicht reagieren. Dann stieg Kummer in ihr auf, und Wut zog sie hinab in eine Tiefe, die kein Mensch je erleben, niemand durchleiden sollte...
Alles, was sie tun konnte, war - nicht zu reagieren.
»Okay«, fuhr Jer fort. »Nicole, du stellst dich hierhin. Oh Gott, wenn wir Eli heilen und das Schwarze Feuer beschwören könnten...«
Holly rührte sich immer noch nicht. Jer verstummte und sah sie an. »Holly?«
»Ich...« Sie begann zu weinen, schlug die Hände vors Gesicht, und ihre Schultern zuckten. »Kann nicht.«
»Holly, ich weiß, dass ich dir wehgetan habe«, sagte Jer, »und dass es grässlich für dich war, an Laurent gebunden zu sein. Aber ich bin bereit, und unsere Seite braucht diese Verbindung. Ich liebe dich. Und ich weiß, dass du mich auch liebst.«
»Jer«, sagte sie.
»Sie ist jetzt eine Blinde Richterin«, erklärte Amanda. »Sie darf sich nicht >einmischen<.« Mit den Fingern deutete sie Anführungszeichen an.
»Was? Eine was?«, fragte Jer. Holly konnte seinen Blick spüren.
»Du musst dich mit meinem Cousin vermählen. Wir brauchen Eli«, stellte Eve mit tonloser Stimme fest. »Wir werden das Schwarze Feuer beschwören.«
»Nein. Ihr wisst nicht, ob ihr es auch kontrollieren könnt«, wandte Richard ein.
Holly ließ die Hände sinken. Jer stand vor ihr, voller Blut und Narben, und er war der schönste Mann, den sie je gesehen hatte. Alles in ihr wollte mit ihm zusammen sein, Fürst und Fürstin, wollte dieses Glück mit ihrer einzigen wahren Liebe erleben.
Vor
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