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Hexenfluch: Roman (German Edition)

Hexenfluch: Roman (German Edition)

Titel: Hexenfluch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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raus?« Der Blick des Kleinen ging an ihm vorbei, zu der Fensterfront und dem Dachgarten dahinter.
    Kristen brauchte einen Moment, um zu begreifen, worauf der junge Wandler hinauswollte. »Du wirst da nicht hinausgehen!« Der Witte Kliff war auch hoch gewesen. Aber nicht hoch genug. Selbst das hier würde nicht hoch genug sein. »Vergiss es! Ganz schnell!«
    »Aber … warum? Das Rudel …«
    Mit einem leisen Knurren zeigte Kristen ihm die Zähne. »Wenn Lyresha dich behalten will, ist das kein Weg in die Freiheit. Sie hat Mittel und Wege, dich zurückzuholen. Und sie wird dich den Versuch bitter bereuen lassen. – Glaub mir.« Er sah das Begreifen in den Augen des Kleinen. Seine Schultern sanken nach vorne. Mikah nickte, wandte sich zur Tür.
    Sie würden es genießen, den Jungen zu zerbrechen. Langsam. Jedes Mal ein bisschen mehr. Kristen presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. »Warte!« Er musste wahnsinnig sein!
    Die Hand schon nach der Klinke ausgestreckt, drehte der Junge sich um, sah ihn fragend an.
    »Warte! – Und rühr dich nicht vom Fleck!«
    Bevor er es sich noch anders überlegen konnte, stieg er die Stufen zur Galerie hinauf, immer zwei auf einmal. Hier oben gab es nicht mehr als seinen Futon, Nachttisch und Kleiderschrank und das Bad. Kristen kniete sich neben das flache Bett. Der linke obere Pfosten war hohl. Ein leichter Druck an den drei richtigen Stellen, und das mattschwarze Holz sprang einen kaum sichtbaren Spaltbreit auf. Für einen Moment zögerte er, doch dann öffnete er ihn ein Stück weiter und holte das kleinere der beiden Pipettenfläschchen aus der Dunkelheit hervor. Jedes andere Gift und jede Droge durfte Lyresha bei ihm finden, nur das hier nicht. Er brachte sich in Teufels Küche, wenn er es dem Bengel gab. In einem Anflug von Selbstironie verzog er den Mund. War er da nicht schon?
    Das Fläschchen in der Hand, stieg er die Stufen wieder hinunter. Mikah hatte sich tatsächlich nicht vom Fleck gerührt. Dafür schaute er sich mit großen Augen um. Ob er sich wunderte, dass es hier nichts, absolut gar nichts Persönliches gab? Trotz all dem Luxus – Stereoanlage, riesiger Flachbildschirm, Ledersofa, schwere, tiefe Teppiche, Marmorfliesen, ein offener Kamin mitten im Raum, verspiegelte Bar, eleganter Schreibtisch aus Glas und Chrom, Hantelbank – glich das Penthouse einer Mönchszelle. Hier gab es nichts, das ihm etwas bedeutete. Und das man gegen ihn hätte verwenden können.
    Der Junge zuckte ertappt zusammen, als Kristen von der Treppe heruntertrat. Und wagte es trotzdem, ihm ein paar Schritte entgegenzukommen. Beinah … geflissentlich. Wie ein junger Hund, der seinem neuen Herrn gefallen wollte. Kristens Eingeweide verkrampften sich bei dem Gedanken.
    Er streckte ihm das Fläschchen hin. Das hier war Wahnsinn. »Zwei Tropfen hiervon werden dir helfen, ein bisschen … Abstand zu bekommen, wenn dich eine der … Ladys zu sich holt. Du kannst es dir ganz einfach von der Handfläche lecken. Es wirkt schnell, in vier, fünf Minuten – für ungefähr zwei oder drei Stunden. In Wasser verdünnt braucht es länger. Nur Wasser! Niemals in Alkohol! Und niemals mehr als zwei Tropfen innerhalb von sechs Stunden.« Er zog das Fläschchen zurück, als der Junge danach greifen wollte. »Niemals mehr als zwei Tropfen und nie zu schnell hintereinander, kapiert? Sonst wirst du rosarot und scheißegal.« Wäre der Bengel in Wolfsgestalt gewesen, hätte er in diesem Moment die Ohren gespitzt. Kristen schnalzte mit der Zunge. »Das mag für dich ja äußerst erstrebenswert klingen. Aber glaub mir: Die Folgen sind es garantiert nicht. Weder von ihrer Seite noch von meiner. Denn sie wird wissen, dass du es von mir hast.« Er hob eine Braue. »Sollte also irgendjemand erfahren, dass du das Zeug nimmst – oder auch nur besitzt –, wirst nicht nur du riesigen … Ärger bekommen, sondern ich auch. Du kannst dir vorstellen, dass ich darüber nicht sonderlich … erbaut wäre.«
    Der Bursche wurde blass, machte einen Schritt zurück. »Ja.«
    »Dann verstehen wir uns.« Abermals streckte er dem Bengel das Fläschchen entgegen. Und hielt den Arm dabei bewusst so, dass der Kleine die knapp zehn Zentimeter lange Narbe entlang seiner Pulsader bemerken musste. Die Augen des Jungen wurden noch ein Stückchen größer, ungläubiger. Seine Hand bebte unübersehbar, als er das Fläschchen hastig in seiner Hosentasche verschwinden ließ. »Von mir erfährt keiner etwas.«
    »Gut.«

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