Hexenfluch: Roman (German Edition)
damit«, er nickte zu dem Stein hin, »etwas abgelenkt. Hilf mir auf die Sprünge.« Lyresha ließ den Bannfluch die Krallen so unvermittelt in ihn schlagen, dass er zusammenzuckte. Ein kurzer Schmerz, nicht mehr als eine Warnung. Aber nachdem sie ihn in den letzten beiden Stunden immer wieder und mit wachsendem Nachdruck geweckt hatte, stand die Haut darunter ohnehin schon in Flammen, so dass selbst das genügte, um ihn die Zähne zusammenbeißen und zischend die Luft einziehen zu lassen. Noch immer hing ihr Blick über dem Rand des Glases an ihm. Sie lächelte.
»Ich weiß nicht, was du meinst.« Auch wenn er einen Verdacht hatte. Die Worte kamen gepresster, als er es beabsichtigt hatte.
»Gleich drei meiner Informanten haben mir von einer Macht in den Schatten erzählt, die heute zum ersten Mal zu spüren gewesen sein soll. Anscheinend eine Hexe. Jung. Offenbar ziemlich mächtig.« Sie wirbelte den ›Wein‹ in ihrem Glas. »Aaron hat sie auch gespürt. – Und ich auch.« Verdammt! Also war ausgerechnet Aaron einer der beiden Hexer gewesen, die er gespürt hatte. »Aber dann war sie plötzlich verschwunden.« Lyresha nahm einen Schluck, betrachtete die tiefrote Flüssigkeit erneut eine Sekunde, bevor sie ihn wieder ansah. »Und du hast nichts bemerkt?«
»Da war etwas, ja. Kurz. Aber wie gesagt: Ich hatte den Stein bei mir.« Wie zuvor hob er die Schultern. »Und mir war nicht bewusst, dass das für dich von Bedeutung wäre.«
»Nicht von Bedeutung?« Sie lachte, leerte das Glas. Und hielt es ihm in einer wortlosen Aufforderung hin. »Das kleine Hexchen ist eine Puppenspielerin.« Also doch! Wortlos ging Kristen zur gegenüberliegenden Ecke ihres Schreibtisches, nahm die Karaffe auf und trat dicht neben sie.
»Und weiter?« Er füllte ihr Glas nach, bis sie ihm bedeutete, dass es genug war, und stellte den Rest auf die Elfenbeinplatte zurück.
»Ich will sie.« Scheiße! Lyresha löste sich von ihrem Schreibtisch, so dass sie direkt vor ihm stand, setzte ihm das Glas an die Lippen, neigte es. Der ›Wein‹ füllte seinen Mund. Er schluckte, schmeckte Blut. »Du wirst sie für mich finden.« Sie neigte das Glas weiter. Der nächste Schluck. Ein paar Tropfen zu viel. Er spürte sie im Mundwinkel, darunter. »Und wenn du sie gefunden hast, bringst du sie zu mir.«
Schei-ße! Kristen bog den Kopf zurück. »Und dann? Breche ich sie für dich ein? Wie die anderen?«
Mit dem Daumen strich sie über seine Lippen, hob ihn an ihren Mund und leckte die Reste des Weins davon ab. »Wir werden sehen. Vielleicht überlasse ich das diesmal auch Aaron.« Das wäre nicht gut. Sie hob das Glas an ihre eigenen Lippen, trank, schob ihm die freie Hand in den Nacken, zog ihn zu sich heran und küsste ihn.
Gemächlich.
Lange.
Die Zunge in seinem Mund.
Tief.
Er schmeckte ihr Gift durch den Wein. Na wunderbar.
Sie ließ sich Zeit, bis sie von ihm abließ, um ihren Schreibtisch herumging und in den Sessel dahinter glitt. »Mir wurde gesagt, du hast den Kleinen zu dir hinaufgeholt.« Abermals ließ sie den Wein im Glas kreisen.
»Den Kleinen?« Kristen schob die Hände in die Hosentaschen.
»Den Wandlerwelpen.«
»Ja.«
»Meine Mädchen haben sich beklagt.« Sie stemmte den Ellbogen auf die Armlehne. Der Wein kreiste weiter.
Spöttisch verzog er den Mund. »Was willst du mit ihm?«
»Das weißt du doch, Kristen.«
Er trat näher an den Schreibtisch heran. »Bedeutet das, du hast demnächst keine Verwendung mehr für mich?«
»Eifersüchtig?«
Kristens Antwort war ein hartes Auflachen.
»Der Kleine ist als Geschenk für Ijele gedacht.«
»Ein Geschenk?«
»Ein Geschenk.« Sie betrachtete einen Moment die Bewegung des Weins in ihrem Glas, sah ihn wieder an. »Du wirst ihn ausbilden und zu einem perfekten Spielzeug machen. Beim nächsten Bankett wird sie ihn ausprobieren. Bis dahin ist der Kleine ein ebenso geschickter Liebhaber wie du. Ich will, dass sie mich um ihn anbettelt.« Lächelnd nippte sie an ihrem Glas. »Und bevor ich ihn dann endgültig zu ihr schicke, infizieren wir ihn mit einer netten kleinen Krankheit.«
»Wir?«
»Eine, die bei Wandlern nur langsam voranschreitet.« Sie legte ein Bein über die Seitenlehne. Ihr Gewand klaffte auseinander. Zumindest war es ausnahmsweise nur seitlich geschlitzt. »Sie wird ihn ebenso in die Betten ihrer Lieblinge schicken, wie ich es mit dir mache.« Mit einem spöttischen Lächeln prostete sie ihm zu. »Und ihr ganzer Hof wird einer nach dem anderen an dieser
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