Hexenfluch: Roman (German Edition)

für Zutaten?« Sie schloss die Sideboard-Tür, folgte ihm zum Tisch hinüber.
    »Abgesehen von Fetten und Wachsen? – Das kann alles Mögliche sein. Entsprechend behandelte Edelsteine und Halbedelsteine, diverse Kräuter, … Körperflüssigkeiten.«
    »Körperflüssigkeiten? Wie in ›menschliche Körperflüssigkeiten‹?«
    »Genauso. – Galle ergibt zum Beispiel ein blassdunkles Grün.«
    Sie hatte gefragt. Ella setzte sich auf das Sofa und stellte die Kerze zwischen ihnen auf den Tisch. »Und rote Kerzen werden dann wohl mit Blut gemacht?« Es sollte ein Scherz sein.
    »Manchmal. Wenn sie sehr viel Blut enthalten, können solche Kerzen aber auch schwarz sein. – Das fällt allerdings bei weitem nicht mehr unter ›Basics‹, Dr. Thorens.« Er fischte ein Feuerzeug aus der Hosentasche und hielt die Flamme an den Docht.
    Ella wischte sich die plötzlich feuchten Handflächen an der Hose ab. Nein, sie würde ihn nicht genauer nach den ›Fetten‹ fragen. »Hätten Sie das auch mit Magie gekonnt?«, erkundigte sie sich stattdessen. »Die Kerze anzünden, meine ich.« Immerhin hatte sie die Flammen, die bei ihrem ersten Gespräch über ihre Gabe plötzlich auf seiner Hand gelodert hatten, selbst gesehen, sogar ihre Hitze gespürt …
    »Hätte ich.« Er ließ das Feuerzeug ausgehen, als der Docht endlich brannte. »Aber ich will keine Aufmerksamkeit auf uns lenken.«
    Fragend neigte Ella den Kopf.
    »Stellen Sie sich die Magie in dieser Welt wie eine Amplitude vor. Ähnlich wie eine Nulllinie bei einem EEG. Wenn jemand seine Gabe benutzt, also Magie einsetzt, dann gibt es einen Ausschlag. Je mehr Magie eingesetzt wird, umso höher der Ausschlag. Und an der Stelle, an der die Magie benutzt wurde, bleibt ein gewisser ›Nachhall‹ zurück. Wie ein Echo, das sehr langsam verklingt. In dieser Welt werden die Ausschläge von allen möglichen Einflüssen ein Stück weit gedämpft, so dass es möglich ist, sich … sagen wir, unter dem Radar zu fliegen, wenn man es darauf anlegt und sich auf Magie ersten Grades beschränkt. – Also ein bisschen mehr als das, was Sie ›Basics‹ nennen. – In den Schatten allerdings sind die Ausschläge proportional höher und auch der Nachhall existiert länger. Dort Magie zu wirken bedeutet, auf jeden Fall eine Spur zu hinterlassen.« Havreux schob das Feuerzeug in die Tasche zurück. »Die Magie von Heilern bewegt sich gewöhnlich noch weit unterhalb der eigentlichen ›Nulllinie‹. Entsprechend ist sie normalerweise gar nicht zu spüren. Im … nennen wir es ›Ruhezustand‹. Sie erzeugt nur dann einen Ausschlag, wenn sie benutzt wird. Der liegt dann aber auf jeden Fall weit über der eigentlichen Nulllinie. Selbst der Nachhall hält länger.« Er rückte die Kerze ein Stück weiter zu ihr und in die Mitte des Tischs. Ein Tropfen Wachs rann daran abwärts. »Sie verstehen, was das bedeutet, Dr. Thorens?« Er legte die Fingerspitzen gegen die Tischkante. »Solange ich bei Ihnen bin, wird meine Gabe Ihre ›maskieren‹. Wenden Sie Ihre Gabe an und ich bin nicht in Ihrer Nähe, wird man Sie aufspüren.«
    »Ich habe nicht vor …«
    »Ich weiß. Trotzdem werden wir, bei allem, was wir tun, versuchen, möglichst unter dem Radar zu bleiben. Ich würde ungern einen Tracker auf uns – und vor allem auf Sie, Dr. Thorens – aufmerksam machen. Und sei es auch nur aus Versehen.«
    »Einen … Tracker?«
    »Ein Hexer oder eine Hexe, dem – beziehungsweise der – es besonders leicht fällt, Menschen mit der Gabe oder Gegenstände, denen Magie anhaftet, aufzuspüren.« Mit einer kleinen Bewegung strich er sich eine Haarsträhne zurück, die ihm in die Augen gefallen war. Der Stein an seinem Ohrläppchen blitzte.
    Der nächste Wachstropfen rann an der Kerze hinab. Wieso hatte sie ihm in dieser Gasse begegnen müssen? Sie biss die Zähne zusammen.
    »Ich will nur die Basics. Nur so viel, dass ich wieder als Ärztin arbeiten kann. Dass ich wieder eine andere Person anfassen kann, ohne Angst zu haben, dass irgendetwas passiert.« Warum nur hatte sie das Gefühl, sich im Kreis zu drehen?
    »Dr. Thorens, mit etwas anderem als den ›Basics‹ anzufangen, wäre ziemlich unsinnig«, erklärte er milde.
    »Und dann ist das alles«, sie wies auf die Kerze, »trotzdem nötig?«
    Er ließ die Hände entspannt zwischen die Knie hängen. »Ich habe Ihnen gesagt, dass es unter anderem um Fokus und Konzentration geht. Ich will Sie dahin bringen, dass Sie diesen Fokus jederzeit abrufen