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Hexenfluch: Roman (German Edition)

Hexenfluch: Roman (German Edition)

Titel: Hexenfluch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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und vor allem halten können. Egal, was um sie herum geschieht. Egal, was mit Ihnen geschieht. Oder in welcher körperlichen Verfassung Sie sind. Mein Ziel ist es, dass Ihr Unterbewusstsein den Fokus noch eine gewisse Zeit aufrechterhält, selbst wenn Sie beispielsweise ohnmächtig werden.«
    Ella schauderte. »Ist das nicht ein bisschen übertrieben? Wie schon gesagt: Ich habe nicht vor …«
    Die Art, wie Havreux sich vorbeugte, ließ sie verstummen. »Ich sage das ungern, Dr. Thorens, aber in dieser anderen Welt herrscht so etwas wie Krieg. Und dieser Krieg ist schon mehr als einmal auch in unsere Welt herübergeschwappt. Als Ihre Gabe erwacht ist, sind Sie ein Stück weit in diesen Krieg hineingeraten. Noch stehen Sie am Rand. Und wenn Sie Glück haben, bleibt das so. Aber das kann niemand garantieren.« Das Grau seiner Augen schien dunkler zu werden. Plötzlich wirkte er seltsam bedrohlich. »Sie wollen nur die Basics. Ich habe zugestimmt, Ihnen nur diese Basics beizubringen. Allerdings werde ich das so tun, dass Sie eine Chance haben, auch dann heil davonzukommen, sollten Sie dennoch jemals zwischen die Fronten geraten.« Er lehnte sich wieder etwas zurück. Mit einem Schlag war das Bedrohliche vergangen, und sie war sich nicht mehr sicher, ob es überhaupt da gewesen war. »Außerdem, Dr. Thorens: Wie oft schieben Sie in Ihrem Beruf Nachtschichten? Doppelschichten? Wie oft sind Sie müde und es fällt Ihnen schwer, sich zu konzentrieren, aber Sie müssen es, weil man Ihnen einen Schwerverletzten nach dem anderen in die Notaufnahme bringt, weil es irgendwo einen Massencrash gegeben hat? Oder ein Bürogebäude in Flammen aufgegangen ist? Auch dann müssen Sie anwenden können, was ich Ihnen beibringen werde. Damit Sie weiterarbeiten können. Oder?«
    Ella nickte. Zögernd. Mit einem Mal noch nervöser und angespannter als zuvor.
    Er legte ihr die Hand aufs Knie. Sie spürte die Wärme durch den Stoff ihrer Hose. Sein Lächeln traf sie vollkommen unvorbereitet. »So, und nachdem ich Sie jetzt wahrscheinlich ziemlich erfolgreich in Angst und Schrecken versetzt habe: Wollen wir anfangen mit den ›Basics‹?«
    In der ersten Sekunde blinzelte sie verblüfft. Chamäleon! Der Mann war ein absolutes Chamäleon. Doch dann atmete sie einmal tief durch. »Okay. Fangen wir an. Was soll ich tun?«
    Havreux nahm die Hand von ihrem Bein, während er gleichzeitig die Kerze mit der anderen noch weiter zu ihr schob. »Schauen Sie in die Flamme und konzentrieren Sie sich. – Und entspannen Sie sich dabei!«

  16
     
    Das Krachen hinter ihr ließ Ella zusammenzucken und fluchen. »Wenn das die grüne Vase war, schwöre ich Ihnen, bekommen Sie einen solchen Ärger, Christian …« Sie ballte die Fäuste. Auch wenn ihre Hände inzwischen nicht mehr automatisch zu ihrem Gesicht zuckten, um das Tuch herunterzuziehen, mit dem er ihr die Augen verbunden hatte, fiel es ihr nach wie vor schwer, diesen Reflex zu beherrschen. Vor allem, wenn es klang, als würde er um sie herum ernsthaft randalieren.
    Leises Lachen. Havreux hatte sich zu einem regelrechten Quälgeist entwickelt. Und behauptete immer noch, dass er all diese Dinge nur tat, um ihr beizubringen, wie sie ihren ›Fokus‹ aufrechthalten konnte, egal, was passierte. Auch wenn er dabei ihr Haus in Schutt und Asche legte. Scheinbar zumindest. Ohne Vorwarnung scheppernde Kochtöpfe und splitterndes Glas waren dabei noch die harmloseren Mittel.
    »Ihrer Vase geht es gut. Auch wenn ich sie nach wie vor einfach nur hässlich finde.« Sein Atem in ihrem Nacken schickte eine Gänsehaut ihre Wirbelsäule hinunter. Er hatte mal wieder vollkommen lautlos die Position gewechselt.
    Das war der Nachteil, wenn man mit verbundenen Augen mitten im Raum stand: Es gab keine sichere Seite.
    In den letzten beiden Wochen war er jeden zweiten Tag vorbeigekommen. Meist am frühen Nachmittag. Und spätestens, wenn die ersten Schatten sich zeigten, wieder gegangen.
    Davon, dass sie sich auf die Flamme einer Kerze konzentrieren sollte, waren sie nach der dritten Stunde abgekommen. Und obwohl sie es nur ungern zugab: So einfach das klang und sosehr sie es zu Anfang belächelt hatte, wenn man es lange genug ohne Unterbrechung tat, war es anstrengend. Weil die Gedanken irgendwann zu wandern begannen. Und dann war es auch mit dem ›Fokus‹ vorbei. Bei ihr zumindest.
    Trotzdem verlor er nie die Geduld. Stattdessen lobte er viel und ließ sie die einfachsten Dinge immer und immer wieder wiederholen.

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