Hexengift
aufgerissenen Augen an.
»Wenn Sie brav sind, vielleicht.«
Der Straßenräuber nickte und eilte davon. Auf seinem Weg sah er sich immer wieder über die Schulter nach Joshua um.
»Sehr elegant«, meinte Marla. »Ich bin beeindruckt.«
»Seltsamerweise verspüre ich einen starken Drang, Sie zu beeindrucken, Marla. Ich bin mir nicht ganz sicher, weshalb.«
»Vielleicht kommt es daher, dass ich normalerweise nicht leicht zu beeindrucken bin . Und da wir gerade dabei sind: Wenn Sie das nächste Mal eine Pistole so achtlos über Ihre Schulter werfen, sehen Sie zuerst nach, ob sie geladen ist, und wenn ja, dann sollte sie wenigstens gesichert sein. Das Ding hätte losgehen können, als es auf dem Boden aufkam. Wenn ein Querschläger Sie erwischt hätte, wäre die ganze Show im Eimer gewesen.« Es war nicht leicht, Joshua zu kritisieren, aber sie zwang sich dazu. Er hatte es verdient. Sein Charme war umwerfend, aber sie war sich dessen voll bewusst, und vielleicht half ihr das auch dabei, ihm zu widerstehen.
»Natürlich. Sie haben absolut recht. Mit Feuerwaffen habe ich nicht viel Erfahrung.«
»Dann können wir jetzt also rübergehen und uns mit den Gangs unterhalten? Verfolgen Sie einfach das Gespräch, nicken und lächeln Sie, wenn ich Ihnen ein Zeichen gebe, und besänftigen Sie ein wenig ihre Gemüter, wenn sie anfangen, herumzuzicken oder widerspenstig zu werden, okay?«
»Ganz, wie Sie wünschen«, murmelte Joshua.
Zealand folgte dem Bentley in respektvollem Abstand. Die Abweichung von Marlas normalen Gewohnheiten bereitete ihm Sorgen. Normalerweise arbeitete sie die ganze Nacht lang in ihrem Büro und ging dann in den frühen Morgenstunden in ihr schäbiges Apartment, wahrscheinlich, um
sich schlafen zu legen. Aber jetzt war sie unterwegs - Gott weiß, wohin -, mit einem Fremden. Als sie das Auto schließlich abstellten und sich auf den Weg in das unübersichtliche Durcheinander zwischen den Lagerhallen machten, beschloss er, einfach abzuwarten. Es war unmöglich, ihnen dort unauffällig zu folgen. Außerdem würden sie ohnehin wieder zurückkommen, sobald sie ihre Geschäfte erledigt hatten.
Zealand fluchte; der Bentley hatte kurz geflimmert und war dann verschwunden. Schon wieder Magie. Wahrscheinlich nur eine Vorsichtsmaßnahme gegen Diebe, aber er hasste diese ganzen Unwägbarkeiten, die mit im Spiel waren, wenn es um Magier ging.
Etwa zwanzig Minuten später erschien ein Baum mitten auf der Straße, keine fünf Meter von Zealands Wagen entfernt, und ließ einen Blätterschauer auf den schneebedeckten Asphalt herabregnen. Eine seltsam ungelenk aussehende, lange, dunkle Kreatur glitt aus den Ästen, hielt auf dem Asphalt kurz inne und hob ihren kantigen Kopf in Richtung von Zealands Wagen. Er schaltete die Scheinwerfer ein, und das Ding verschwand sofort in den Schatten, noch bevor er es genauer ansehen konnte. Allein seine abgehackten, unrhythmischen Bewegungen jagten ihm einen Schauer über den Rücken. Die Äste des Baums bogen sich, als hätte ein Wind sie erfasst, dann war auch der Baum verschwunden.
»Magie«, murmelte Zealand. Er schaltete die Scheinwerfer wieder aus und verriegelte die Türen an seinem Wagen.
»Nicht schlecht«, sagte Marla, nachdem das Treffen sich wieder aufgelöst hatte. Sie und Joshua waren jetzt allein in
dem großen, zugigen Lagerhaus und saßen auf einem Stapel alter, zersplitterter Holzpaletten nebeneinander. Marla hatte alle Mühe, den Wunsch zu unterdrücken, noch näher an Joshua heranzurücken. Sein Duft war betörend; er roch nach Honig, Vanille, Schweiß. »Sie haben mit Ihnen gespielt wie auf einer alten Violine.« Die Four Tree Gang hatte sich bereit erklärt, sich wieder hinter die Grenzen ihres alten Territoriums zurückzuziehen, im Gegenzug erhielten sie freies Geleit in bestimmten Teilen des von den Honeyed Knots kontrollierten Gebiets. Zu so einer Vereinbarung hätte Marla sie höchstens mit Drohungen und massiven Verbalattacken zwingen können, aber der Friede hätte wohl kaum sehr lange gehalten. Unter Joshuas Einfluss jedoch hatten die Bandenchefs sich sogar die Hand gegeben, bevor sie gegangen waren - ein einmaliges Ereignis, soweit Marla wusste.
»Ich schätze mich glücklich, dass ich eine Hilfe war. Habe ich den Test nun bestanden?«
Marla lachte. »Das hier waren nur kleine Kätzchen. Schon sehr bald werden Sie es mit ausgewachsenen Löwen zu tun bekommen. Richtige Magier sind launisch, egoistisch und legen nicht selten ausgenommen
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