Hexengift
bereits zum nächsten, als der grüne Fleck auf seiner Hand unerträglich stark zu jucken begann. Er kratzte sich, aber die Nägel an seinen Fingern waren zu kurz, um irgendetwas auszurichten. Das Jucken trieb ihn fast in den Wahnsinn, es war so stark, dass ihm Tränen in die Augen stiegen und sich seine Eingeweide zusammenkrampften. Zealand hob seine Hand an den Mund und nagte daran, fuhr mit seinen Zähnen über den grünen Fleck, was ihm immerhin ein bisschen Erleichterung verschaffte.
Plötzlich fiel ein Schatten ins Zimmer, und Zealand blickte auf. Hatte sich eine Wolke vor die Sonne geschoben, oder …
Er drehte sich zum Fenster. Direkt neben Gregors Gebäude erhob sich ein schwarzer Turm, dort, wo bis gerade eben nur kalte, klare Winterluft gewesen war, und verdunkelte die Sonne. Zealand ging langsam zu der Fensterfront
hinüber und legte eine Hand auf das kalte Glas. Der Turm bestand aus rissigem, schwarzem Gestein, plump und unglaublich hoch und - auch wenn Zealand sich nicht besonders gut mit Architektur auskannte - geradezu lächerlich phallisch. Überall schienen sich Schatten zu bewegen, und die wenigen Fenster waren lediglich halbrunde Löcher im Fels, hinter denen die Schwärze etwas weniger undurchdringlich war. Die Balkone des Turms waren klein und machten den Eindruck, als würden sie einem sofort unter den Füßen wegbrechen, auf den Geländern hockten verzerrte Gestalten, die aussahen wie grobschlächtig aus Kohle geschnitzte Chimären. Zealand erinnerte sich an einen Fetzen von Genevieves eilends hingehauchten Worten: » Er lebt in dem schwarzen Turm. Er schickt Albträume. «
Magier-Angelegenheiten. Aber dieser Turm, er war so was von lächerlich , er sah aus, als wäre er einem Comic über einen Lord der Finsternis entsprungen. Er war das architektonische Äquivalent dieser Idioten, die sich einen langen, schwarzen Trenchcoat anzogen und dazu eine möglichst dunkle Sonnenbrille aufsetzten, in der festen Überzeugung, dieses Outfit mache sie höllisch gefährlich. Was einen höllisch gefährlich machte, war lange, harte Arbeit, wie Zealand aus eigener Erfahrung wusste. Gregors Festung war ein moderner Wolkenkratzer mit einigen sinnvollen Funktionen, manche davon zugegebenermaßen magisch, aber trotzdem. Es drängte sich ihm der Gedanke auf, dass Reaves Festung der Phantasie eines Menschen mit ausgeprägtem Hang zum Dramatischen entsprungen sein musste. Was in aller Welt sollten sich die Leute unten auf der Straße bei diesem Anblick bloß denken ?
Seine Hand hörte auf zu jucken, dafür pulsierte sie jetzt eigenartig warm. Als er genauer hinsah, entdeckte Zealand, dass sich der grüne Fleck über den gesamten Handrücken ausgebreitet hatte und erste Fühler entlang der Finger und um sein Handgelenk herum ausstreckte. »Was zum Teufel ist …«, murmelte er, dann kam das Licht vor seinen Augen schlagartig wieder zum Vorschein. Der Turm war verschwunden. Er hielt sich die Hand über die blinzelnden Augen, um sie vor dem blendenden Sonnenlicht zu schützen.
»Es ist fast so weit«, sagte eine quietschend hohe Stimme in seinem Rücken.
Zealand wusste, dass die Tür hinter ihm nicht geöffnet worden war, das hätte er gehört. Noch mehr Magie . Er drehte sich um und erblickte Reave mit seinem langen, glänzenden Mantel und dem weichgekochten Eiergesicht.
»Nicht mehr lange, dann bleibt er manifest. Wir müssen nur noch ein paar Parameter stabilisieren.« Er lächelte. Seine Zähne waren gelb, Überreste von grünen Blättern hingen in den Zwischenräumen.
»Falls ich etwas für Sie tun kann, sagen Sie es mir bitte.« Ohne überhaupt darüber nachzudenken, steckte Zealand seine grüne Hand in die Hosentasche. Das Jucken schien nicht wiederzukommen, dafür wurde das Pulsieren nun immer stärker. Darüber würde er sich später Gedanken machen. Hatte er sich in dieser anderen Welt irgendeine exotische Krankheit eingefangen? »Ich habe gerade ein wenig Leerlauf zwischen zwei Aufträgen, und meine Preise sind durchaus konkurrenzfähig.«
Reave rümpfte die Nase. »Vielleicht lassen wir Sie später
eine Tür bewachen, sobald wir etwas haben, um es dahinter einzusperren. Und jetzt verziehen Sie sich. Sie sollten hier nicht sein.«
»Mir gefällt Ihr Mantel«, sagte Zealand, ohne dabei eine Miene zu verziehen. »Wo haben Sie ihn her?«
»Aus ihren Träumen«, antwortete Reave und winkte in Richtung Tür. »Gehen Sie jetzt. Warten Sie, bis wir eine Verwendung für Sie haben.«
Zealand verneigte
Weitere Kostenlose Bücher