Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hexengold

Hexengold

Titel: Hexengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
Vom Netzwerk:
nichts von ihrer Verzweiflung. Trotz der neuen Erkenntnisse trottete sie in trüber Stimmung nach Hause.
    Als sie den Weg zum Markt einschlug, begann das Mittagsläuten. An den Krämerbuden herrschte reger Betrieb. Aufdringlich roch es nach Käse und Fett. An einigen Buden wurden auch Gewürze angepriesen. Ein Hausierer mit einem Korb voller Zitrusfrüchte mischte sich unter die wartenden Frauen, bis einer der Krämer ihn erspähte und davonjagte.
    Carlotta beeilte sich, den Garküchenplatz zu erreichen. Eine warzenübersäte Bauersfrau mit Fischwerk im Korb kam strahlend auf sie zu. Carlotta ahnte nichts Gutes, stank es doch schon auf die Entfernung hin aus dem Korb. In großem Bogen umging sie die Frau. Um dem aufdringlichen Geruch zu entgehen, hielt sie sich die Nase zu. Sehnsüchtig erinnerte sie sich daran, wie gut die Wundersalbe roch, von der Doktor Petersen eine Probe haben wollte. Ob sie heimlich etwa davon stibitzen sollte? Wie wollte sie das überhaupt bewerkstelligen? Grübelnd trat sie gegen einen Stein und trieb ihn ein Stück weit mit den Füßen vor sich her. Ihre Laune wurde schlechter, je näher sie dem Haus an der Fahrgasse kam.
    Vor der Mehlwaage herrschte dichtes Gedränge. Gerade war einem Burschen ein Sack zu Boden gefallen. Heftiger Mehlstaub brachte die Leute zum Niesen. Auch Carlotta kitzelte es bereits in der Nase. Gleichzeitig verspürte sie ein schlechtes Gewissen: Sie hatte versprochen, Mechthild den Gang zum Bäcker abzunehmen. Den Bürgersleuten waren morgens die ersten beiden Stunden von acht bis zehn beim Verkauf an der Mehlwaage und im Winter mittags nur eine von zwei bis drei vorbehalten. Nach dem Mittagessen sollte sie gleich hinlaufen, sonst ging ihnen mangels Mehl noch das Brot aus. Das würde den Vater zornig werden lassen. Hastig rannte sie zum Haus und schlüpfte durchs Tor. In der Diele wurde sie bereits erwartet.
    »Sieh nur, das gnädige Fräulein taucht auch schon wieder auf!« Übertrieben tief buckelte Mathias vor ihr. Der hatte ihr gerade noch gefehlt. »Wenn du erfährst, was hier passiert ist, wirst du dich am liebsten selbst in den Hintern beißen. So, wie es aussieht, hast du nämlich mal wieder das Beste verpasst.«
    »Was soll ich hier schon groß verpasst haben? Dass du dich ausnahmsweise beim Zusammenzählen der Beträge für zwei Dutzend Fässer Rheinwein nicht verrechnet hast? Oder dass du endlich verstanden hast, warum wir die Pomeranzen in diesem Jahr aus Portugal beziehen statt wie sonst aus Italien?« Sie stemmte die Hände in die Hüften und sah ihn herausfordernd an. Seit er bei ihnen wohnte, bereiteten ihr die Stunden im Kontor keine rechte Freude mehr. Dabei tat er eigentlich nichts, um sie zu ärgern. Es war lediglich seine Art, überall seine Nase hineinzustecken und doch nicht zu begreifen, worum es ging, was sie an ihm störte. Hinzu kam, dass er sich immerzu im falschen Moment an den falschen Orten herumtrieb. Ein Grund mehr, der ihr das heimliche Heranschleichen an die Wundersalbe erschwerte.
    »Du hast was viel Besseres verpasst!« Ihre scharfe Bemerkung störte ihn nicht im Geringsten. Fröhlich lächelte er auf sie herab. Er war zwar mehr als einen Kopf größer als sie, dennoch fühlte sie sich ihm weit überlegen. Seine weiche Haut und die helle Gesichtsfarbe ließen ihn kaum älter wirken, obwohl er bereits vierzehn war und sie erst zwölf. Einige Pusteln verunzierten sein Gesicht. Das und das gelegentliche Kippen der Stimme von hell nach dunkel schien das Einzige, was sein Heranreifen zum Mann ankündigte. Gemächlich verschränkte er die Arme vor der flachen Brust. »Geh ruhig in den Hof und frag die Knechte, was passiert ist. Ich kann es dir aber auch gleich hier verraten: Wenn du heute Morgen zu Hause gewesen wärst, hättest du mal wieder als Wundarztgehilfin glänzen können. Aber du bist wohl lieber drüben bei Petersen und riechst an seinen üblen Tinkturen. Oder ist es etwa einer seiner langweiligen Söhne, dem du gern schöne Augen machst? Wie auch immer. Jedenfalls musste deine Mutter auf die Hilfe meiner Mutter zurückgreifen. So wie es aussieht, ist sie äußerst zufrieden damit. Vielleicht braucht sie dich künftig gar nicht mehr beim Operieren. Dann kannst du drüben in der Apotheke versauern.«
    »Das könnte dir so passen!« Sie beschloss, nichts auf sein Geschwätz zu geben. Erstens war er eifersüchtig, weil sie sich im Kontor leichter tat als er, und zweitens konnte er den Apothekersohn nicht ausstehen. Rüde stieß sie

Weitere Kostenlose Bücher