Hexengold
aufdringliche Duft nach Lavendel schnürte Magdalena die Kehle zu. Adelaide tat, als merkte sie nichts davon, und säuselte: »Wir Frauen werden nun einmal schneller älter, als uns lieb ist. Umso wichtiger ist es, rechtzeitig etwas zu unternehmen, damit der Gatte gar nicht erst auf die Idee kommt, seine Lust in fremden Revieren zu stillen.«
»Hör mit diesem Unsinn auf!« Die Röte brachte Magdalenas Gesicht zum Glühen.
»Machen wir uns nichts vor, meine Liebe: Jeder hier im Haus weiß, dass Eric seit seiner Genesung nicht mehr das Bett mit dir teilt.«
»Was ist schon dabei? Eric war schwer verwundet. Er muss sich Ruhe gönnen – von allen körperlichen Anstrengungen.«
»So?« Adelaide zupfte ihr schwarzes Haar unter der Schnebbe zurecht. »Auf mich macht er nicht gerade den Eindruck, als hätte er noch besondere Rücksicht nötig. Sein Körper strotzt vor Kraft und Unternehmungslust, wie auch seine Rastlosigkeit beweist. Jeden Tag verlässt er bereits im Morgengrauen das Haus, um im Kontor oder im Lagerhaus zu wirken, und abends findet er erst spät zur Ruhe.« Ihre dunklen Augen funkelten, als sie Magdalena einen abschätzigen Blick zuwarf. Böse lächelnd fügte sie hinzu: »Aber du als seine Ehefrau wirst das natürlich besser einschätzen können als ich. Oh, entschuldige, ich vergaß: Zurzeit nächtigt er gar nicht in eurem gemeinsamen Schlafgemach. Du kannst also nicht wissen, welche Kräfte ihm abends noch innewohnen.«
Sie wandte sich um und schritt langsam zur Tür. In Magdalena kochte es. Hedwig hatte recht: Sie war zu gutherzig. Mehrmals war ihr das schon Eric gegenüber fast zum Verhängnis geworden. Vor Adelaide musste sie sich umso mehr in Acht nehmen. Es war töricht zu hoffen, die Entlarvung von Vinzents und Erics Mauscheleien schweißten sie beide als aufrichtige Freundinnen zusammen, und das gemeinsame Ziel, das Handelshaus für die Kinder zu retten, ließe jegliche persönlichen Abneigung zwischen ihnen vergessen. Adelaide war und blieb unberechenbar. Gerade wollte Adelaide die Klinke herunterdrücken, da bemerkte Magdalena spitz: »Natürlich sprichst du aus deiner Erfahrung als Ehefrau. Du hast das alles bereits hinter dir. Seit Jahren ist dein Schoß trocken. Schon lange vor seinem letzten Aufbruch nach Italien ist Vinzent aus eurem gemeinsamen Schlafgemach ausgezogen. Hat er sich in der Sandgasse nicht direkt neben den Gesindestuben im Speicher eingenistet? Wie hieß noch gleich die Magd, die man mit dickem Bauch aus eurem Haus herausschleichen sah?«
Laut krachte die Tür hinter Adelaide ins Schloss. Der Holzrahmen zitterte noch eine ganze Weile von der Erschütterung nach.
12
Seit der Neujahrsnacht regnete es heftig. Dennoch wollte Adelaide nicht auf den täglichen Gang zum Friedhof verzichten. Beim Abräumen des Frühstücksgeschirrs hatte Hedwig bereits einen lang anhaltenden Winter prophezeit. Auf den Regen würde bald Schnee folgen, sagte sie mit Bestimmtheit voraus. Umso wichtiger war es, dem Wetter die Stirn zu bieten und nicht von den Gewohnheiten zu lassen. Wie so oft in der letzten Zeit maulte Mathias, als Adelaide ihn aufforderte, sie zu begleiten. Er schützte wichtige Aufgaben im Kontor vor, deren Erledigung Eric ihm angeblich bis zum Nachmittag aufgetragen hatte.
»Dein Onkel wird nicht wollen, dass du darüber deine Pflichten mir gegenüber vernachlässigst. Bis zum Nachmittag bleibt dir ausreichend Zeit. Spute dich also, sonst fällt mir noch einiges mehr ein, wozu ich deiner Hilfe bedarf.«
Sie wartete gar nicht erst ab, bis er sich den Mantel angezogen und den Hut aufgesetzt hatte, sondern ging allein los. Schon bog sie an der Fahrgasse nach links ab und ging nordwärts zum Friedhof. Trotz des unwirtlichen Wetters waren viele Menschen unterwegs. »Achtung!«, schallte es über den Trubel von Bauersfrauen, Mägden, Handwerkern und Händlern hinweg. Im viel zu schnellen Trab brauste ein Wagen heran. Ohne Unterlass schlug der Kutscher mit der Peitsche auf die Pferde ein. In halsbrecherischem Tempo donnerte das Fuhrwerk über das Pflaster. Aus den Pfützen spritzte Wasser auf, erschrocken schrien die Leute auf. Wer konnte, drückte sich gegen eine Hauswand und hielt den Atem an, bis die Gefahr vorüber war. Adelaide gelang es nicht mehr, auszuweichen. Mit schreckgeweitetem Blick sah sie die Fuhre auf sich zurasen. Plötzlich riss sie jemand nach hinten. Sie meinte ins Leere zu fallen und spürte den gewaltigen Luftzug des vorbeibrausenden Gefährts. Es war ihr,
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