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Hexenheide

Hexenheide

Titel: Hexenheide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: aerts
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das gerade um die Kurve kommt. Es fährt schnell, zu schnell eigentlich für eine Wohnsiedlung.
    Karim hört quietschende Bremsen und sieht, dass das Auto versucht auszuweichen. Es geht schief. Das Auto zieht nach links, während die Frau einen Schritt in dieselbe Richtung macht. Es erwischt sie voll an der Seite. Die Frau stürzt, das Auto rollt noch ein paar Meter weiter, bis es zum Stillstand kommt.
    »Arg!«, würgt Karim unwillkürlich, als er sieht, wie das Auto der Frau quer über die Beine fährt. Er schlägt sich eine Hand vor den Mund und holt ein paarmal tief durch die Nase Luft, um sich nicht übergeben zu müssen.
    Der Fahrer springt völlig aufgelöst aus dem Auto. »Oh mein Gott, oh mein Gott!«, ist alles, was der Mann hysterisch rausbringen kann, was nicht erstaunlich ist, wenn man gerade jemanden überfahren hat.
    Aber das wirklich Erstaunliche passiert dann.
    Die Frau steht auf, schüttelt ihre roten Locken und klopft sich den Straßenstaub von ihrem Umhang.
    Der Mann aus dem Auto bleibt mitten auf der Straße stocksteif stehen. Seine Arme hängen schlaff herunter, und sein Mund klappt auf, aber es kommt kein Ton mehr heraus.
    »T ut mir leid«, sagt die Frau mit den roten Haaren, »ich hab nicht richtig aufgepasst.«
    »Äh …«, sagt der Mann. Und noch einmal: »Äh …« Er begreift es nicht.
    Karim begreift es nach einigen Sekunden schon. Er erkennt das Gesicht, die kupferfarbenen Locken, den langen Umhang. Nur ihren kleinen Hund hat sie dieses Mal nicht dabei.
    Lenne hat sich inzwischen umgedreht. Mit hochgezogenen Augenbrauen betrachtet sie die Szene.
    Die Frau geht in aller Ruhe auf den Mann zu, streckt ihre Hand nach seinem Gesicht aus und lächelt ihn an. »Hier war überhaupt nichts los«, sagt sie. Ihre Stimme klingt tröstlich, beruhigend. Ihre Finger streichen über seine Augen. »V ergiss das mal«, flüstert sie kaum hörbar, »es ist nichts passiert, vergiss das mal.«
    Der Mann zwinkert ein paarmal mit den Augenlidern. Ein bisschen einfältig blickt er um sich. »Was haben Sie gesagt?«, fragt er dann befremdet.
    »Das ging gerade noch mal gut«, meint die Frau lachend. »Ich konnte gerade noch zur Seite springen. Fahren Sie jetzt weiter, steigen Sie ein und fahren Sie in aller Ruhe nach Hause zu Ihrer Frau und den Kindern.«
    Karim würde sich am liebsten die Finger in die Ohren stecken, um die Stimme der Frau nicht mehr hören zu müssen. Sie klingt so bezwingend, dass er den Drang verspürt, der Aufforderung auch nachzukommen, genauso wie der hypnotisierte Mann, der nun tatsächlich zu seinem Auto geht.
    »Der Fernseher ist schon eingeschaltet, das Spiel hat schon angefangen«, fährt die Stimme samtweich fort. »Sie haben noch nichts verpasst. Fahren Sie nun ganz ruhig weiter, nicht mehr so hetzen, denn das verursacht die Unfälle. Sie kommen auf jeden Fall rechtzeitig nach Hause, bevor das erste Tor fällt.« Sie lacht.
    Der Mann steigt folgsam in sein Auto und fährt in aller Ruhe weg.
    Karim steht immer noch dort, wo er stand, als der Unfall passierte.
    Die Frau fängt seinen Blick auf und nickt ihm zu.
    »Guten Tag«, will er sagen, aber nur ein heiseres Krächzen kommt heraus.
    Lenne scheint sich inzwischen völlig verspannt zu haben. Ihre Hand legt sich über ihre Jackentasche. »Du kriegst sie nicht«, zischt sie sofort, sobald sich die Frau ihr bis auf wenige Zentimeter genähert hat.
    »Bitte!« Die Hand der Frau streckt sich nach Lenne aus, die Handfläche nach oben.
    »Nein!«, schreit Lenne, und als die Frau weiterreden will, hält sie sich die Ohren zu und rennt davon. Zum Glück nicht über die Heide, sieht Karim, sie nimmt den längeren Weg nach Hause über die Straße. Die Frau sieht ihr gequält hinterher.
    Karim räuspert sich und kommt ihr zögernd ein paar Schritte näher. »Ermelinde?«, traut er sich scheu zu fragen.
    Mit einem Ruck dreht sie sich zu ihm um. »Das ist lange her«, sagt sie nach einigen Augenblicken. »Dass mich jemand mit diesem Namen anspricht, das ist sehr … sehr lange her.« Sie lächelt, doch um ihre Mundwinkel liegt ein trauriger Zug.
    »Sie sind es doch, oder?« Karim wird rot. »Die Frau von dem Gemälde. Ich hab Ihr Porträt gesehen – bei Frau van Ha… Ho…« Ihm fällt der Name nicht mehr ein.
    Die Frau mit den roten Haaren schweigt.
    Karim schaut verlegen zu ihr auf. In Wirklichkeit ist sie noch schöner als auf dem Bild. »Lenne … Lenne ist eine Freundin von mir.« Er räuspert sich. »Ich will ihr helfen. Wissen Sie

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