Hexenjagd
Seele geladen. Warum sollte ich mich dafür bei Euch bedanken?“
Da er nicht auf solch eine Antwort gefasst gewesen war, sah der Zurechtgewiesene ein wenig verblüfft drein. Doch dann begann er zu lachen. Erst leise, dann immer lauter, wobei seine anfänglich tiefe Stimme zusehends heller und durchdringender klang, bis sie zu einem ohrenbetäubenden Gellen wurde.
Das Schrillen des Weckers riss Celiska gnadenlos aus tiefstem Schlaf. Immer noch benommen von den eigentümlichen Bildern ihres Traumes, langte sie nach dem Knopf und stellte das durchdringende Greinen des Geräts ab. Unendlich langsam lichteten sich die Nebel in ihrem Kopf, während sie die Beine aus dem Bett schwang und einen Augenblick auf der Bettkante verharrte. Immer wieder rekapitulierte sie das im Schlaf Erlebte, konnte jedoch keine vernünftige Erklärung finden. Dass der kostbar gekleidete Reiter ihrem jungen Chef auffallend ähnlich gesehen hatte, war schon merkwürdig genug. Aber dass ihre Träume ausgerechnet in der frühen Neuzeit angesiedelt waren, wo sie doch nicht die geringste Neigung dazu besaß, war unerklärlich. Warum war ihr der Name „Celia Blackbird“ so vertraut, als sei es in der Tat ihr eigener? Und wieso hatte sie immer so ein ungutes Gefühl, wenn sie aufwachte? Die Träume kamen zwar in unregelmäßigen Abständen immer wieder, aber sie waren doch nicht alptraumhaft. Wieso konnte sie die Ahnung drohender Gefahr nicht abschütteln?
Celiska seufzte schwer. Obwohl sie tief und fest geschlafen hatte, fühlte sie sich müde und zerschlagen. Selbst die eiskalte Dusche half da wenig. Dass die Mutter wie gewohnt zu einem Gejammer ansetzte, sobald sie sich an den Frühstückstisch setzte, nahm Celiska wie durch Watte gedämpft wahr. Entsprechend lustlos nippte sie an dem starken Kaffee und biss nur einmal in ihr Brötchen, um dann wieder in tiefen Grübeleien zu versinken.
„Du hörst mir gar nicht zu“, beschwerte sich die Mutter.
Die Gescholtene nahm sich zusammen und versuchte sich auf die Worte der älteren Frau zu konzentrieren. Aber schon bald schweiften ihre Gedanken wieder ab, weil es sowieso nichts Neues zu hören gab, denn die Litanei war jeden Morgen dieselbe.
„Ich werde nachher zu Elisabeth gehen“, plapperte die alte Frau weiter, derweil Celiska in Schuhe und Jacke schlüpfte, um anschließend zur Tür zu gehen. „Sie hat mich gestern angerufen und zu einem Plausch eingeladen. Wird wirklich langsam Zeit, dass ich mal rauskomme.“
Celiska nickte bloß, was als Zustimmung gewertet werden konnte. In Wirklichkeit hatte sie jedoch kaum etwas von dem Gesagten mitbekommen.
„Frau Falquardt? Ich hätte da ein Anliegen.“ Redehof Junior goss sich eine Tasse Kaffee ein, bevor er fortfuhr: „Ich weiß, es ist eigentlich nicht üblich, dass man einer Sekretärin so etwas zumutet. Aber ich brauche Ihre Hilfe.“
„Ja?“ Ein wenig benebelt vom Kopfschmerz, der sie seit einer guten Stunde plagte, sah Celiska zu ihrem Vorgesetzten auf.
„Nun ja …“ Er wusste offenbar nicht, wie fortfahren, also nahm er einen Schluck aus seiner Tasse und verbrühte sich prompt die Unterlippe, was ihm ein schmerzliches Zischen entlockte. „Ich muss heute Abend zu einem Geschäftsessen“, erklärte er schließlich, „habe aber keine Begleiterin. Dürfte ich vielleicht Sie bitten …“
Ach du liebe Zeit, dachte Celiska. Warum ausgerechnet sie? Hatte er denn keine Freundin, die er mitschleppen konnte? In der Firma munkelte man eh schon von einem geheimen Verhältnis. Wenn man sie nun auch noch in aller Öffentlichkeit mit dem Juniorchef sah, war das Wasser auf alle Gerüchtemühlen.
„Ich weiß nicht“, begann sie zögernd. „Es dürfte sehr schwierig werden. Meiner Mutter geht es momentan nicht besonders gut, wissen Sie. Na ja, ich … ich würde sie in ihrem jetzigen Zustand ungern allein lassen“, schwindelte sie – und verriet sich gleich im Anschluss durch die heftige Röte ihrer Wangen.
„Haben Sie etwa Angst vor mir?“, kam denn auch die direkte Frage.
Da sie sich ohnehin durchschaut fand ob ihrer ungeschickten Lüge, beschloss Celiska, nicht noch einmal zu flunkern, allein um sich die Peinlichkeit einer weiteren Entlarvung zu ersparen.
„Das nicht“, gab sie leise zu, „aber ich sähe es lieber, wenn Sie sich eine andere Begleiterin suchten. Man beobachtet mich sowieso sehr genau“, erklärte sie schüchtern. „Dass Ihr Vater ausgerechnet mich auf diesen Posten beordert hat, hat einige meiner Kolleginnen
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