Hexenjagd
Ganzen nur schmeichelhafte Lügen waren, schien die alte Dame allerdings nicht zu kümmern – besser gesagt, sie hörte kaum hin.
„Jetzt hört endlich auf zu schnattern!“ Obwohl sie einer jeden ein freundliches Lächeln schenkte, machte ihr harscher Befehl schließlich deutlich, dass ihre Geduld zu Ende war. „Ich verstehe ja meine eigenen Worte nicht mehr! Komm her, mein Kind“, winkte sie den Neuankömmling heran. „Setz dich zu mir und erzähl mir von dir. Es ist immer so erfrischend, neue Gesichter zu sehen und einmal etwas anderes zu hören als nur diesen langweiligen Klatsch, der sich hier im Hause breit macht.“
Bevor die Angesprochene jedoch zu sprechen ansetzen konnte, griff die alte Dame nach einer silbernen Glocke, um sie nach Leibeskräften zu schütteln. Der helle Klang sollte den Diener herbeirufen, der vor der Tür des Salons ausharrte, um eventuelle Wünsche seiner Herrin sofort zu erfüllen. In den Ohren der jungen Frau verwandelte sich das Gebimmel jedoch in ein durchdringendes Schrillen, das immer lauter und intensiver wurde.
Celiskas Herz hämmerte gegen ihre Rippen. Noch völlig benommen, versuchte sie herauszufinden, warum sie so jäh erwacht und warum ihr Nachthemd durchnässt war. Als sie sich erinnerte, dass sie ja ihre Erkältung auskurieren wollte, atmete sie auf, nur um im nächsten Moment erschrocken zusammenzufahren, weil die Türglocke erneut zu schrillen begann.
Celiska wollte aus dem Bett springen, um so schnell wie möglich zur Tür zu gelangen, musste jedoch feststellen, dass ihre Beine aus Pudding zu bestehen schienen. Also ließ sie sich wieder zurücksinken, weil nun auch noch ein starker Schwindel einsetzte, der einen erneuten Schweißausbruch nach sich zog. Celiska horchte in den Wohnungsflur hinaus, wo sie die Mutter mit jemandem schimpfen hörte. Da schien jemand sehr penetrant zu sein, schoss es ihr durch den Kopf, derweil sie wiederum aufzustehen versuchte. Doch hatte sie kaum die Beine über die Bettkante geschoben, da erkannte sie die männliche Stimme, die der Mutter eine arrogante Antwort gab, um dann unweigerlich näher zu kommen. Was wollte er hier, fragte sie sich verwundert, während sie sich instinktiv unter ihre Decke zurückzog. Er würde doch nicht …
Weiter kam Celiska mit ihren Überlegungen nicht, denn im gleichen Augenblick wurde ihre Zimmertür mit Schwung geöffnet.
„Moment mal!“ Die ältere Frau hielt den Eindringling nach wie vor am Jackenärmel fest, auch wenn sie nicht verhindern konnte, dass er vorwärts schritt. „Sie können doch nicht einfach hier eindringen und in das Zimmer meiner Tochter marschieren! Wo sind wir denn? Auch wenn Sie ihr Vorgesetzter sind, haben Sie kein Recht dazu!“
Ohne weiter auf die Schimpfende zu achten, baute sich Redehof Junior im Türrahmen auf mit der Absicht, seiner Sekretärin gehörig die Meinung zu sagen. Als er jedoch gewahr wurde, dass das Gesicht der jungen Frau große knallrote Flecken aufwies und die vor Schreck weit aufgerissenen Augen fiebrig glänzten, vergaß er sowohl seinen Ärger als auch die Standpauke.
„Ach du liebe Zeit“, stieß er betroffen hervor. „Sie sind ja wirklich krank!“
„Ich hatte doch eine Notiz hinterlassen“, erwiderte sie heiser. „Haben Sie die nicht gefunden?“
„Doch“, bekannte er beschämt. „Aber ich dachte, Sie wollten sich nur drücken! Ich …“ Seine Wangen nahmen zusehends Farbe an. „Verzeihen Sie“, stammelte er. „Ich hätte es wirklich besser wissen müssen.“ Mit einem Mal hatte er es sehr eilig, aus der Wohnung zu kommen, wobei er immer wieder beteuerte, wie peinlich ihm die Sache sei und wie Leid ihm der Irrtum tue. Celiska hörte die Mutter neben ihrem Chef zum Ausgang trippeln und hätte am liebsten laut gelacht ob der wortgewaltigen Verabschiedung, die sie nun vom Stapel ließ.
In den folgenden Tagen verwandelte sich die Wohnung der beiden Frauen in eine kleine Gärtnerei. Von üppig wuchernden Zimmerpflanzen bis hin zu sündhaft teuren Blumengebinden verteilte sich die blühende Pracht in allen Räumen.
„Sag mal – will der Kerl was von dir?“, fragte die Mutter bissig. „Oder hat er es schon bekommen und bedankt sich jetzt dafür?“ Celiska meinte nicht richtig gehört zu haben und starrte die Mutter entgeistert an.
„Guck nicht so“, schnappte die ältere Frau böse. „Wie soll denn ein normaler Mensch die Sache anders verstehen? Hab nie gehört, dass sich ein Vorgesetzter so sehr um seine Mitarbeiter
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