Hexenjagd
Fragend blickte sie von einem zum anderen. „Oder muss ich mir diese Erkenntnis auch erarbeiten? Dass ich in einer Klapsmühle bin, habe ich doch richtig erkannt, nicht wahr? Das ist doch schon mal was. Also, ganz so bekloppt kann ich dann doch nicht sein. Nun?“
„Wie ist Ihr Name?“, fragte Rebekka ungerührt.
„Was soll das?“, reagierte die junge Frau empört. „Sie wissen genau, wie ich heiße! Schließlich muss doch jemand die Rechnung für Ihre Bemühungen bezahlen, oder? Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein mildtätiger Mitbürger für meine Behandlung in diesem Hause aufgekommen ist.“
„Wie heißen Sie?“, wiederholte Rebekka unbeeindruckt.
„Fragt sich bloß, wer hier in die Klapse gehört“, murmelte die Gefragte leise, bevor sie die schmalen Schultern straffte, um ihre Körperhaltung ein bisschen selbstbewusster wirken zu lassen. „Falls ich bisher unter ‚Unbekannt’ geführt worden sein sollte, können Sie jetzt Celiska Falquardt eintragen lassen. Alles klar? Oder haben Sie noch mehr komische Fragen?“ Dass die beiden statt zu antworten nur in erleichtertes Gelächter verfielen, bestätigte ihr die Vermutung, dass sie auf der falschen Seite der Tür standen. Man hatte die falschen Leute eingesperrt, dachte sie voller Zynismus.
„Sie sind hier, weil Sie vollkommen verwirrt waren.“ Die Psychiaterin bemühte sich um eine ernste Miene, weil ihr nun selbst aufging, wie verrückt sie auf ihre Patientin wirken musste. „Man hat Sie nach einem Zusammenbruch eingewiesen, weil Sie sich nicht mehr an Ihre eigentliche Identität erinnern konnten. Jetzt sieht es allerdings so aus, als wären Sie wieder normal.“ Hoffentlich, dachte sie im Stillen. Die psychische Belastung der letzten Tage und Stunden konnte sich immer noch rächen.
„Was heißt das?“, fragte Celiska unsicher. Erinnerungsfetzen an wirre Träume, die eigenartig real gewirkt hatten, wollten sich ihr mit aller Macht aufzwingen und konnten nur gewaltsam zurückgedrängt werden. „Bin ich vielleicht ausgerastet, oder was?“, fragte sie ungläubig.
„So könnte man es auch nennen“, antwortete Rebekka vorsichtig. Dann wandte sie sich an Vincent: „Lässt du uns bitte allein“, bat sie freundlich. Da er nicht sofort reagierte, packte sie ihn am Arm und schob ihn sanft, aber bestimmt aus dem Raum, wobei sie seinen grimmigen Blick bewusst ignorierte. „Setzen Sie sich“, befahl sie dabei Celiska über die Schulter hinweg.
Die junge Frau gehorchte, ohne zu überlegen. Aber schon einen Atemzug später stand sie wieder auf den Füßen.
„Was macht er überhaupt hier?“, wollte sie wissen.
„Wer?“, parierte Rebekka.
„Na, Vincent!“, stieß Celiska hervor. „Er dürfte doch gar nicht hier sein! Ich dachte … Er sollte doch … Verena wird …“ In ihrem Kopf herrschte auf einmal ein solches Durcheinander, dass es sie schwindlig machte. Taumelnd suchte sie Halt an der Stuhllehne, um diese dann mit eiskalten Fingern zu umklammern. „Jetzt verstehe ich langsam gar nichts mehr“, murmelte sie hilflos.
„Er hat Nachtdienst.“ Die Ärztin registrierte durchaus, dass ihre Patientin bedenklich schwankte, wollte sie aber weder anfassen, um sie zu stützen, noch wollte sie sie auf den Stuhl drängen, damit sie nicht umfiel, weil sie annahm, dass der Körperkontakt die junge Frau von ihren Gedankengängen ablenken würde. Und genau das sollte nicht passieren!
„Was?“ Celiska verstand einfach nicht. „Das geht doch gar nicht“, stieß sie dann erregt hervor. „Er wollte doch heute Abend seine Verlobung feiern. Wie kann er da arbeiten? Sie … Halten Sie mich wirklich für so verrückt, dass ich Ihnen diese Geschichte abkaufe? Oder … oder … ich …“ Sie musste erst einmal kräftig schlucken, denn plötzlich saß ein riesiger Kloß in ihrer Kehle. „Bin ich vielleicht doch verrückt?“, brachte sie endlich voller Entsetzen hervor.
„Vincent und Verena sind zwar befreundet, aber keineswegs ein Paar. Das waren sie übrigens noch nie. Er hat wirklich Nachtdienst, und Sie sind nicht verrückt“, stellte Rebekka fest. „Sie sind nur immer noch sehr verwirrt, weil Sie die Realität immer noch mit Ihrer Wunschwelt vermischen.“ Sie bemerkte Celiskas erschrockenen Blick und beeilte sich, eine Erklärung folgen zu lassen: „Was in der Realität geschehen ist, weiß ich von Vincent. Was in Ihrer ‚anderen’ Welt vorgefallen ist, habe ich nur bruchstückhaft von Ihnen selbst erfahren können. Aber Sie
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